„Ach, wie sehr wünsche
ich mir eine arme Kirche für die Armen!“ Dieser Ausruf des neuen Papstes bei seiner
ersten Begegnung mit Journalisten vor genau einem Jahr hat die Kirche (vor allem im
Westen) in Aufregung versetzt. „Arme Kirche – Kirche für die Armen: ein Widerspruch?“,
fragt sich dementsprechend ein Buch aus dem Echter Verlag. Die beiden Herausgeber
sind Jesuiten; einer der beiden, Pater Jörg Alt von der „Jesuitenmission“, bringt
den Grund-Widerspruch im Gespräch mit Radio Vatikan so auf den Punkt:
„Entweder
ist die Kirche arm; dann hat sie kein Geld und kann glaubwürdig mit den Armen leben:
Oder sie hat Geld; dann kann sie den Armen tatkräftig helfen. Unser Interesse war,
diese Frage an kompetente Gesprächspartner weiterzugeben, sowohl in Deutschland als
auch in den armen Ländern, und natürlich vor allem an die Armen selbst! Denn uns interessiert
als entwicklungspolitisch arbeitende Organisation vor allem, was für eine Kirche sich
die Armen selbst wünschen, und welche Unterstützung sie sich von der Kirche erhoffen.“
Was
überrascht an dem Buch, das sind die Autoren; ein arbeitsloser Elektrotechniker aus
Madagaskar kommt ebenso zu Wort wie der „General“ der Jesuiten oder eine venezolanische
Sozialarbeiterin. Zweitens überraschen die Blickwinkel: Da wird zum Beispiel auch
nach „Social Media und Armut“ gefragt, oder nach der Missbrauchskrise. Pater Alt dazu:
„Die Jesuitenmission versucht ja nicht nur, Spenden von Nord nach Süd zu
verteilen, sondern wir versuchen uns durchaus auch gesellschaftspolitisch zu engagieren,
um Strukturen des Unrechts anzugehen. Dabei bedienen wir uns natürlich auch moderner
Kommunikationsmittel, und wir arbeiten sehr viel mit anderen nicht-kirchlichen Organisationen
zusammen.“
Daraus ergibt sich das Nachdenken über moderne technische Möglichkeiten:
„Was
kann das, was Social Web und Social Media heutzutage zur Verfügung stellen, beitragen,
Armut und Unrecht zu vermindern? Und natürlich können wir nicht nur in der Welt Unrecht
und Ungerechtigkeit anprangern, sondern müssen uns auch der Frage stellen, was diese
Vorfälle in der Kirche für unsere Glaubwürdigkeit und unser Engagement bedeuten. Weil
diese Anfragen natürlich in dem außerkirchlichen Milieu, in dem wir auch arbeiten,
besonders häufig sind.“
Da geht es in erster Linie um die Glaubwürdigkeit
der Kirche. „Arme Kirche für die Armen“ oder, um es scharf zu formulieren, Protz-Kirche,
die Missbrauchstäter deckt?
„Es geht auch darum, ob wir dazu bereit sind,
mit Opfern sexueller oder wirtschaftlicher Gewalt auf Augenhöhe zu sprechen und auf
das zu hören, was sie uns sagen, weil letztendlich niemand besser weiß, was nötig
ist, um eine schwierige Situation zu bereinigen, als diejenigen, die darunter leiden
und ihre Opfer sind.“
Das Buch lässt, eine nach der anderen, Stimmen aus
allen Kontinenten zu Wort kommen – ein Tableau der Verschiedenheiten? Pater Alt:
„Wir
fanden eher erstaunlich, welche Gemeinsamkeiten es trotz dieser Verschiedenheit gibt
– nämlich, dass niemand von den Armen, die wir um eine Stellungnahme gebeten haben,
oder denjenigen, die mit den Armen arbeiten und leben, sich eine materiell arme Kirche
wünschen. Also, erstaunlich ist doch, dass sich alle in den armen Ländern eine Kirche
wünschen, die Ressourcen hat, diese aber glaubwürdig und effizient zur Verminderung
von Armut und zur Beseitigung von Unrechtstrukturen einsetzt.“
Pater Alt
zieht für sich selbst das Fazit aus den verschiedenen Diskussionsbeiträgen des Buches:
Auf die Glaubwürdigkeit kommt es an, ohne sie ist alles nichts. Das sei auch das,
was der neue Papst vorlebe.
„Eine Autorin im Buch hat es so formuliert,
dass natürlich der Papst die roten Kalbslederschuhe ausgezogen hat, aber barfuß geht
er deswegen noch lange nicht! Das Faszinierende an Franziskus ist aber, dass er nicht
nur Unrechtstrukturen anprangert und den Reichen ins Gewissen redet, sondern auch
einen Lebensstil vorlebt, der den Menschen klarmacht: Hier ist jemand, der diese Aufforderung,
arm für die Armen zu sein oder einfach zu leben, ganz persönlich ernstnimmt und es
so lebt, dass andere zum Mitmachen motiviert werden.“
Jörg Alt/Klaus Väthröder
(Hg.), Arme Kirche – Kirche für die Armen: ein Widerspruch? Echter Verlag, ca. 17
Euro.