Am kommenden Samstag
findet der erste Weltgebetstag für die Kirche in China statt. Der Vatikan hat bereits
vergangene Woche den entsprechenden Gebetstext veröffentlicht. Das Gebet richtet sich
an Unsere Liebe Frau von Sheshan, die in Shanghai verehrt wird. Gudrun Sailer sprach
mit der Sinologin Katharina Wenzel-Teuber vom China-Zentrum in St. Augustin und fragte
sie zunächst, wie das Regime in Peking diesem Weltgebetstag für die chinesischen Katholiken
gegenübersteht.
„Peking hat sich nicht direkt dazu geäußert, aber eine
indirekte Reaktion sind sicher die massiven Einschränkungen der Wallfahrt zum Shershan
in diesem Jahr. In den vergangenen Jahren sind im Marienmonat Mai immer mehrere Zehntausend
Gläubige dorthin gepilgert. Dieses Jahr haben die Behörden massive Einschränkungen
verhängt. Auf dem ganzen Berg sind Überwachungskameras installiert, es sind rund 200
Polizisten im Einsatz. Die Behörden haben auch Priester und Bischöfe in den umliegenden
Regionen dazu aufgerufen, Wallfahrten zum Shershan im Mai zu meiden. Die massiven
Einschränkungen sind eine indirekte Antwort auf den Gebetstag. Ich denke aber, dass
die Katholiken in China sich nicht davon abhalten lassen werden, in der einen oder
anderen Form den Gebetstag zu begehen.“
Welche Bedeutung hat gerade die
Muttergottes von Sheshan für Chinas Katholiken?
„Der Heilige Vater spricht
im letzten Abschnitt des Gebets, das er formuliert hat, auch eine bestimmte Statue
der Muttergottes an. Diese befindet sich auf der Kirchturmspitze der Marienbasilika
in Sheshan. Es handelt sich um eine Muttergottes-Statue, die das Jesuskind in die
Höhe hebt und dabei Richtung Chinas Festland schaut. Mit einer besonderen Geste des
Jesuskindes möchte er das ganze Land segnen. Diese Statue wurde in der Kulturrevolution
zerstört. Erst im Jahr 2000 wurde sie durch Spenden vieler chinesischer Katholiken
auf dem Kirchturm wieder errichtet. Deshalb hat diese Statue eine besondere Bedeutung
für sie.“
Papst Benedikt XVI. hatte diesen Gebetstag in seinem Brief an
die chinesischen Katholiken von Pfingsten 2007 angeregt. Zunächst: ist es nicht reichlich
ungewöhnlich, für eine Ortskirche einen eigenen jährlichen Gebetstag auszurufen?
„Aber
die Umstände in China sind eben auch ungewöhnlich. Es gibt in China eine kleine, aber
sehr lebendige und wachsende Kirche in einem sehr großen und traditionsreichen Land.
Doch diese katholische Kirche ist weiterhin dem Staat und dessen Religionspolitik
unterworfen. Vor allem die chinesischen Bischöfe können keinen direkten Kontakt zu
Rom haben. Ein Teil der Katholiken praktiziert den Glauben im Untergrund. Es gibt
wichtige Anliegen, um die man beten muss. Eines dieser Anliegen ist, dass die Einheit
der chinesischen Kirche innerhalb der Gemeinschaft und auch mit der Weltkirche gestärkt
wird.“
Im Rückblick: Was hat der Brief Papst Benedikts
an Chinas Katholiken im Jahr seit seinem Erscheinen für Früchte getragen?
„Der
Brief wurde von den Katholiken in China intensiv diskutiert, und einige Klarstellungen,
die der Brief gebracht hat, wurden sehr begrüßt. Beide Seiten – offizielle und Untergrundkirche
– versuchen aufeinander zuzugehen, aber Führer im Untergrund haben auch deutlich gemacht,
dass dieser Prozess Zeit braucht. Das ist insbesondere für die Untergrundkriche schwierig.
Da gibt es viele Wunden, die heilen müssen. Positiv war sicher, dass die fünf Bischofsweihen,
die seit der Veröffentlichung des Briefes stattgefunden haben, alle mit der Genehmigung
des Papstes stattfanden. Und man sollte nicht vergessen, dass der Brief zwar auch
Fragen der Einheit der Kirche und das Verhältnis von Staat und Kirche anspricht, aber
auch viele andere Fragen. Einer der letzten Punkte, da geht es um den Auftrag der
Missionierung – und das ist ein Bereich, wo sich in der chinesischen Kirche ganz viel
tut. Sie ist sehr wach, wenn es darum geht, das Wort Gottes weiterzutragen. Und das
hat sich zuletzt zu Ostern dieses Jahres gezeigt, wo eine sehr große Zahl, nämlich
über 13.000, Ostertaufen allein im Bereich der offiziellen Kirche zu verzeichnen waren.“
Papst
Benedikt hat in seinem Schreiben indirekt klar gestellt, die Kirche werde sich nicht
in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischen. Hat diese Zusicherung die Gemüter
in China beruhigt, ist diese Botschaft angekommen?
„Was der Vatikan immer
wieder versucht klarzumachen, ist dass es ihm nicht um eine politische Einflussnahme
in China geht, sondern um die seelsorglichen Fragen in China und die innerkirchlichen
Verbindungen. Das Dilemma ist eben, dass die chinesische Regierung genau das als Einmischung
in innere Angelegenheiten versteht, nämlich die Frage der Bischofsernennungen. Ich
denke, in diesem Punkt wird der Vatikan nicht davon abrücken, dass es seine Sache
ist, Bischöfe zu ernennen. Man weiß, dass die Gespräche weiter laufen, aber was sich
da bewegt, ist schwer zu sagen. Es gibt immer wieder Zeichen in beide Richtungen.
So hat im März diesen Jahres der Chef der Religionsbehörde in China den Vatikan einer
Doppelstrategie bezichtig. Andererseits war Anfang Mai das China Symphony Orchestra
im Vatikan, und über das Konzert ist in den chinesischen Medien breit berichtet worden
und es wurde auch sehr begrüßt. Es gibt Zeichen in beide Richtungen, aber keine Anzeichen
für einen wirklichen Durchbruch.“