2017-09-18 12:27:00

Kongo: Wenn der Staat sich das Volk zur Beute macht


Kasaï: Diese Region im Herzen des Kongo galt jahrzehntelang als bitterarm, aber friedlich. Das änderte sich vor einem Jahr, als Sicherheitskräfte einen Milizenführer töteten: Seitdem kommt es in Kasaï immer wieder zu blutiger Gewalt. Über dreitausend Menschen sind bei den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen seit August 2016 ums Leben gekommen; die UNO spricht von 1,4 Millionen Vertriebenen, davon über 800.000 Kinder.

Das Problem ist, dass außerhalb des Kongo kaum jemand von diesem Konflikt Notiz nimmt. Dabei ist die humanitäre Lage in Kasaï ein einziges Desaster. Davon konnte sich jetzt der Päpstliche Nuntius in Kinshasa, Erzbischof Luis Mariano Montemayor, bei einem Besuch überzeugen.

„Die dringendste Aufgabe bestünde darin, irgendwie humanitäre Hilfe in den Süden des Kasaï zu bringen. Besonders im Bistum Luisa gibt es viele Orte, die noch nicht die geringste humanitäre Hilfe aus dem Ausland erhalten konnten; dabei haben sie dort im Wald seit drei Monaten Hunderttausende von Flüchtlingen. Ebenfalls dringend wäre es, die Sicherheitskräfte dazu zu bringen, ihr Vorgehen gegen die zivile Bevölkerung einzustellen. Nur wenn sich die Sicherheitskräfte besser benehmen, werden nicht mehr so viele Menschen zu den Rebellen gehen.“

„Papst offenbar mehr am Schicksal der Menschen interessiert als die Machthaber“

Der Papstbotschafter hat unterernährte Kinder gesehen – und weit und breit keine NGO. Vielerorts sei die Kirche die einzige Helferin, etwa durch Ernährungszentren, die direkt von Papst Franziskus Geld bekämen. Es sei eine Schande, dass sich offenbar Franziskus mehr für das Schicksal der Menschen in Kongo-Kasaï interessiere als die, die dort in den Sesseln der Macht säßen.

„Tatsächlich hat der Heilige Vater stärker dazu aufgerufen, der Bevölkerung in Kasai zu helfen, als die dortigen Regierenden selbst! Das hat offensichtlich damit zu tun, dass es da politische Interessen und auch Komplizenschaft mit denen gibt, die für Gewalt sorgen. Aber dieses Schweigen ist durch nichts zu entschuldigen – erst recht, wenn es um Kinder geht, die rekrutiert und bei Kämpfen in die erste Reihe gestellt werden.“

Die Regierung sei offenbar „nur an ihrer militärischen oder Steuerhoheit interessiert“, biete aber „noch nicht einmal die grundlegendsten Dienstleistungen für die Bevölkerung“, schimpft der aus Argentinien stammende Nuntius. Schulwesen, Gesundheitswesen, Sicherheit für die Bevölkerung – alles Fehlanzeige. Das sei „kennzeichnend für den kongolesischen Staat“, er mache sich das eigene Volk zur „Beute“. Nein, sagt Montemayor gleich nach seinen scharfen Worten, er ziele da auf niemanden im speziellen.

Gewissen der Regierenden aufrütteln

„Damit will ich vor allem die Gewissen aufrütteln: Die Politiker in Kasaï sollten ihre Einstellung ändern! Und auch die Regierenden in der Hauptstadt, an der Spitze des Staates. Sie sollten dafür sorgen, dass die Leiden der Menschen aufhören!“

Es habe schon einmal Pläne zu einem Papstbesuch in der Demokratischen Republik Kongo gegeben, berichtet der Nuntius – fügt aber gleich hinzu: Daraus werde nichts, solange sich in Kinshasa nichts bewege und solange die Zentralregierung nicht endlich neue Präsidentenwahlen ansetze.

(rv 18.09.2017 sk)








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