2017-08-10 11:31:00

Jemen: „Niemand kann die Hände in Unschuld waschen“


Christliche Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen schlagen Alarm: Im Jemen breitet sich eine Cholera-Epidemie rasant aus. Der Krieg und die einsetzende Regenzeit verhindern mögliche Hilfsmaßnahmen. Der Apostolische Vikar für Südarabien, der Schweizer Kapuzinerpater Paul Hinder, informiert sich ständig über die Situation in dem gemarterten Land. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert er:

„Es stimmt gemäß den Informationen, die ich habe, dass sich die Cholera-Epidemie sich praktisch ungehindert ausbreitet. Das liegt daran, dass das gesamte Gesundheitssystem praktisch zusammengebrochen ist. Da steht aber auch die Frage im Raum, inwieweit dies von den verschiedenen Kriegsparteien absichtlich gewollt wurde. Es weist aber einiges darauf hin, dass zumindest in einzelnen Teilen des Landes ganz bewusst auf Destruktion hingearbeitet worden ist.“

Hinzu komme, dass die internationale Blockade gegen den Jemen jeglichen Import von Hilfsgütern erschwere, erinnert Bischof Hinder. Weder Medizin noch Nahrung kämen in das Land. Die Eigenproduktion reiche bei weitem nicht aus, um die Menschen zu versorgen. „Vor allem nicht in dieser Kriegssituation“, so Hinder.

Krieg seit 2015

Zur Erinnerung: Seit zwei Jahren herrscht in dem Staat im Süden der arabischen Halbinsel ein Krieg, bei der eine Militärallianz unter der Führung Saudi Arabiens gegen die schiitische Huthi-Gruppe kämpft, die vom Iran unterstützt wird. An der Saudischen Koalition nehmen viele nordafrikanische Staaten teil; und auch Frankreich und die USA sowie Großbritannien gehören zumindest zu den logistischen Unterstützern dieser Koalition.

„Ich sehe keinen anderen Weg, als dass die internen und externen Kriegsparteien an den Runden Tisch zurückkehren müssen. Es bedarf sicherlich auch eines internationalen Zwangs. Wir müssen uns aber immer vor Augen halten, dass die Westmächte keine weißen Westen tragen und niemand kann sich die Hände in Unschuld waschen. An dieser dreckigen Kriegssituation im Jemen verdienen viele durch den Waffenhandel oder andere krumme Geschäfte.“

Leidtragend sei in diesem Fall vor allem die Zivilbevölkerung. Unter ihnen befinden sich auch „einige wenige“, wie Bischof Hinder sagt, Christen. Es handele sich vorwiegend um Ausländer, aber es gebe auch einige jemenitische Christen, die noch im Land seien.

Für Mutter Teresa-Schwestern beten

„Hilfe ins Land zu bringen, ist sehr schwierig. Es gibt zwar noch die internationalen Organisationen wie das Rote Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen. Sie tun, was sie können. Doch solange die Sicherheit nicht gewährleistet ist, ist deren Arbeit äußerst schwierig und zum Teil unmöglich. Ich bewundere die wenigen verbliebenen Mutter Teresa-Missionarinnen, die Gott sei Dank noch tun, was sie können, aber auch sie wirken auf einem sehr schwierigen Posten. Ich möchte allen Christen empfehlen, solidarisch mit ihnen zu sein und für sie zu beten.“

Obwohl er auf der arabischen Halbinsel wohnt und die Entwicklungen „sorgfältig verfolgt“, so präzisiert Bischof Hinder, sei es für ihn schwierig, ein klares Bild von der Lage im Jemen zu bekommen. Denn er kann das Land persönlich nicht besuchen und ist auf Informationen von Zeugen angewiesen. Hinzu komme, dass die politische Situation in jener Region sehr gespannt sei, fügt Hinder an.

Flüchtlingsproblem

Derweil sorgt eine Schreckensmeldung für Schlagzeilen: angeblich sollen Schlepper vor allem jugendliche Flüchtlinge vor der Küste Jemens gezwungen haben, ins Wasser zu springen. Mindestens 29 von ihnen seien ertrunken. Die Flüchtlinge aus dem Jemen kamen bisher in den Medien kaum zur Sprache.

„Es gibt nur zwei Landesgrenzen für den Jemen: Einerseits zu Saudi-Arabien, das aber eine der Kriegsparteien ist, oder zum Oman, der sich hütet, zu viele Flüchtlinge aufzunehmen, um sich nicht im Konflikt zu exponieren. Deshalb bleibt nur der Seeweg, doch der ist sehr gefährlich. Ich befürchte, dass dort sehr viele ertrunken sind.“

(rv 10.08.2017 mg)








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