„Ordensleben kann und muss sich grundlegend wandeln, wenn es überhaupt Bestand haben und es sich in der Postmoderne plausible als lohnenswerte Lebensalternative behaupten kann“: Mit dieser These lässt Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, aufhorchen. Angesichts von Überalterung, ausbleibender Einritte oder Austritten langjähriger Mitglieder müssten die Gemeinschaften ihre Identität und Sendung neu formulieren bzw. in praktisches Handeln übersetzen, schreibt Ganz in der jüngsten Ausgabe der „Theologisch-praktischen Quartalsschrift“.
Die Ordensfrau untermauert ihre These mit einer Statistik, laut der in Österreichs 105 Frauenorden 2016 noch 3.643 Schwestern leben. Nur 22 Prozent davon sind, so die Studie, unter 65 Jahre, 55 Prozent hingegen über 75 Jahre alt. Die zurückgehenden Mitgliederzahlen und die „auf den Kopf gestellte Alterspyramide“ stellten die betroffenen Frauenkongregationen vor „enorme Herausforderungen“.
Dieser Altersunterschied mache ein Spannungsfeld auf, so Ganz. Leitungsverantwortliche
müssten sich sowohl um die Pflege der alten Schwestern kümmern, als auch Bedingungen
schaffen, um jüngeren Schwestern gerecht zu werden. Gerade letztere seien oft Doppel-
und Dreifachbelastungen ausgesetzt, die sie an ihre äußersten Belastungsgrenzen und
zu Überforderung und Dauerstress führten.
„burning persons“ im Mittelpunkt
Standen einst Werke und große Einrichtungen im Mittelpunkt, engagierten sich heute
Einzelne als „burning persons“ in sozialen Brennpunkten, etwa in der Betreuung von
Flüchtlingen, Wohnungslosen oder Suchtabhängigen. Als „Pionierinnen diakonischer Präsenz
der Kirche in der Welt von heute“ wagten sie sich hinaus „in die Risikozonen nicht
nur der Unübersichtlichkeit von Welt und Geschichte, sondern auch in das Risiko des
Scheiterns vor ihrem Anspruch“, so die Ordensfrau, die dabei Bezug auf den Grazer
Pastoraltheologen Rainer Bucher nahm.
Was Rainer Bucher für Kirche und Ekklesiologie fordert, gelte ebenso für Orden und
Ordenstheologie: Es brauche eine kenotische Wende in Verbindung mit einer Politik
der Demut, des Sich-Aussetzens, des sich Bewährens als Zeichen und Werkzeug des Heils.
Klöster müssten zu „Anders-Orten“ werden, stellt die Ordensfrau fest. Mit leerstehenden
Klöstern, den großen Mutterhäusern und anderen Immobilien müsse „kreativ, innovativ
oder im Sinne des Verzichts“ umgegangen werden. Wo es gelingt, die leerstehenden Räume
in kreativen Prozessen zu modernisieren und anderen Nutzungen zu öffnen, entstünden
Chancen auf gegenseitig bereichernde Sozial- und Wohnformen im übergreifenden Miteinander
von Generationen und Lebensstilen. Das erfordere von beiden Seiten eine gehörige Portion
Neugier, Mut und Risiko.
Bisweilen entstünden neue Wohnprojekte mit Generationen übergreifenden Wohnformen.
Durch die Vermietung von Wohnraum an Studierende, Migranten, Sinn oder Auszeit Suchende
gebe es neue Begegnungsmöglichkeiten. Gerade für ältere Schwestern würden sich noch
einmal völlig neue Tätigkeitsfelder erschließen, etwa in der Betreuung von Geflüchteten.
Freilich, räumte die Ordensfrau ein, „die Anstrengung von Ordensgemeinschaften, zusätzlich
zu bereits übernommenen pastoralen, sozialen oder pflegerischen Aufgaben Schutz suchenden
Menschen beizustehen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen und Integration zu erleichtern“,
sei enorm.
Vernetzung und politische Lobbyarbeit
Verstärken müssten die Orden laut Ganz auch ihre Vernetzung und politische Lobbyarbeit.
Insbesondere apostolisch tätige Frauen- und Männerorden seien global vernetzte Akteure
innerhalb der katholischen Kirche. Beispiel hierfür sei etwa die Internationale Vereinigung
der Frauenorden (UISG).
2016 verabschiedete die UISG einen neuen Strategieplan und hat sich zum Ziel gesetzt,
noch intensiver als bisher an einer globalen Solidarität zu arbeiten. Die Vereinigung,
die weltweit 2.000 Frauenkongregationen mit über 700.000 Mitgliedern vertritt, wolle
gezielt internationale Netzwerke und Beziehungen aufbauen, interkongregational mit
den kontemplativen Orden und Männerkongregationen sowie Ortskirchen zusammenarbeiten
und neue Wege der Kooperation und Kommunikation suchen.
(kap 03.08.2017 sk)
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