2017-07-28 14:08:00

Venezuela: „Wir müssen uns auf Gewalttaten gefasst machen“


Venezuela steuert auf ein konfliktträchtiges politisches Ereignis zu: Für Sonntag hat Präsident Nicolas Maduro eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen. Um weitere Proteste zu unterbinden, hat der sozialistische Staatschef ein Versammlungsverbot erlassen. Die Opposition will sich daran nicht halten und hat erneut zu Massenprotesten aufgerufen. Es gehe um nicht weniger als „die Einnahme Venezuelas“, so der Appell der Oppositionskräfte. Unbeeindruckt zeigte sich Präsident Maduro auch von internationaler Kritik an seinem Vorhaben: Die USA hatten in dieser Woche bereits Sanktionen gegen hochrangige Unterstützer Maduros verhängt und drohten ähnliches Vorgehen gegen all diejenigen an, die sich in die verfassungsgebende Versammlung wählen lassen würden. Für Betroffene, so ließ Maduro verlauten, solle es „sehr spezielle Anerkennungen“ geben.

Monika Lauer-Perez ist Referentin beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat und mit der Situation vor Ort vertraut. Wir haben sie gefragt, worum es Maduro bei der umstrittenen Einberufung seiner Verfassungsgebenden Versammlung überhaupt geht.

Lauer-Perez: „Im Grunde genommen geht es darum, das Parlament lahmzulegen, das ja vorwiegend von der Opposition dominiert wird. Eine verfassungsgebende Versammlung ist ein verfassungsrechtlich zulässiges Instrument, das Parlament zu umgehen. Maduro wird auf jeden Fall versuchen, hauptsächlich seine Anhänger dort zu platzieren und somit hat er sozusagen seine Macht am Parlament vorbei zementiert, weil er ja voraussichtlich bei Neuwahlen nicht wieder gewählt würde.“

RV: Nun hat Maduro im Vorfeld der Wahlen ein Versammlungsverbot erlassen, die Opposition hat dessen ungeachtet zu neuen Großdemonstrationen aufgerufen. Wie ist denn Situation im Land aktuell?

Lauer-Perez: „Es steht leider zu befürchten, dass in der nächsten Woche gravierende Gewalttätigkeiten dort stattfinden werden. Der Vizeparlamentspräsident hat den Generalstreik ja schon als „Stunde Null“ bezeichnet, und als Vorbereitung auf die „definitive Eskalation“, so waren seine Worte, in der nächsten Woche. Also ich glaube, auch im Land selbst wird erwartet, dass das Ganze nicht sehr friedlich ablaufen wird.“

RV: Vielleicht noch ein Wort zu den Generalstreiks: Inwieweit schätzen Sie denn den Erfolg oder Misserfolg der Maßnahmen ein, die die Opposition mit diesen Streiks ins Leben gerufen hat?

Lauer-Perez: „Ich glaube, dass das ein sehr wichtiger Schritt war. Es war ein sehr organisierter ziviler Ungehorsam und das Volk hat ja im Prinzip keine anderen Möglichkeiten mehr. Die Zustände in Venezuela sind die einer Diktatur, und das Volk versucht mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln, sich dagegen zu wehren und ich glaube, dass dieser Generalstreik wie auch das symbolische Referendum sehr deutliche Zeichen in Richtung Regierung waren, wir tragen das nicht mehr mit. Meines Erachtens war das eine sehr reife demokratische Leistung des venezolanischen Volkes.“

RV: Medienberichten zufolge hat der Präsident des Nachbarlandes Kolumbien, Juan Manuel Santos, auf Kuba für ein eventuelles Exil von Präsident Maduro vorgefühlt. Wie können wir diesen Schritt einordnen?

Lauer-Perez: „Man sagt, dass Santos derjenige ist, der im Moment die besten diplomatischen Beziehungen zu Kuba und auch den USA unterhält, also Kuba natürlich als gastgebendes Land der Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Rebellenorganisation FARC und sie sie tatsächlich mit Santos auf sehr vertrautem Fuß. Santos hat natürlich ein genuines Interesse daran, dass die Gewalttätigkeiten in Venezuela nicht zunehmen. Denn die Flüchtlinge, die jetzt schon nach Kolumbien kommen, sind fast nicht mehr tragbar für das Land. Deshalb hat Santos auch ein eigenes Interesse, dass die Situation in Venezuela friedlich gelöst wird. Und eine Möglichkeit wäre da, dass Maduro ins Exil ginge.“

RV: Wie schätzen Sie denn die Chancen dafür ein?

Lauer-Perez: „Um ehrlich zu sein, äußerst gering. Denn wenn man die Reden von Präsident Maduro hört, die sind so bar jeglicher Selbstkritik oder Autoreflexion, dass man nur sagen kann, das wird wahrscheinlich nicht passieren. Da wird man wahrscheinlich auch noch einmal die Rolle der Streitkräfte sehen, die den Präsidenten vielleicht auch zur Abdankung zwingen könnten.“

RV: Die USA haben Unterstützer und Mitglieder der Regierung in Venezuela mit Sanktionen belegt und weitere Sanktionen angedroht. Inwieweit ist das hilfreich, bzw. sollte die Internationale Gemeinschaft sich auf weiter führende Sanktionen einigen?

Lauer-Perez: „Das ist eine sehr schwierige Frage. So punktuelle Sanktionen gegen einzelne Mitglieder der Regierung sind relativ leicht zu umgehen. Ich denke nicht, dass die einen nachhaltigen Erfolg haben werden. Und größer angelegte Sanktionen werden wiederum das Volk hart treffen, das sich sowieso schon in einer extrem schwierigen Versorgungsnotlage befindet. Ja, es gibt nicht viele Druckmittel und ich weiß, dass wirtschaftliche Sanktionen gerne als Druckmittel eingesetzt werden, nur ich glaube nicht wirklich an den Erfolg.“

(rv 28.07.2017 cs)








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