2017-06-29 10:58:00

Papstmesse am Patronatsfest: „Sind wir Wohnzimmer-Christen?“


Es war eine etwas verstörende Gleichzeitigkeit: Im vatikanischen Pressesaal Kardinal Pell, den der Papst beurlaubt hat, damit er sich vor Gericht gegen Missbrauchs-Klagen verteidigen kann – und nur ein paar Meter weiter auf dem Petersplatz die große Messe des Papstes zum Fest der römischen Stadtpatrone Peter und Paul.

Franziskus feierte die Messe wie üblich im roten Messgewand – das ist die Farbe der Märtyrer. Beide Apostelfürsten, Petrus wie Paulus, starben in der Zeit Neros in Rom als Märtyrer, der eine auf dem Gelände des heutigen Vatikans am Kreuz, der andere enthauptet an der Ausfallstraße nach Ostia. Gemeinsam sind sie die Patrone Roms.

Vor Beginn der Messe ging der Papst in Begleitung einer Delegation des orthodoxen Patriarchats von Konstantinopel zu einem Moment stillen Gebets an das Petrusgrab; Franziskus und seine ökumenischen Gäste verneigten sich auch vor der Petrusstatue im Dom, die zum Festtag mit einer Tiara geschmückt war.

Pallien an Erzbischöfe verliehen

Am römischen Patronatsfest verleiht der Papst üblicherweise Pallien an Erzbischöfe, die wichtige Bistümer in aller Welt leiten; die Pallien sind Schulterbänder aus Wolle, die ein Jahr lang in einem Kasten direkt über dem Petrusgrab aufbewahrt werden. Sie sollen die Erzbischöfe draußen in der weiten Welt daran erinnern, dass sie in Gemeinschaft mit Rom stehen. Franziskus segnete die Pallien, und Kardinal Tobin von Newark sprach im Namen aller Metropolitan-Erzbischöfe, die im Lauf des letzten Jahres ernannt worden sind, ein Treuegelöbnis. Zum Abschluss der Messe überreichte der Papst den Erzbischöfen dann die Pallien und wechselte mit jedem von ihnen noch ein paar Worte.

Mit dabei waren auch die fünf Bischöfe, die der Papst am Vorabend des Hochfestes zu Kardinälen erhoben hatte. Und zur musikalischen Gestaltung war unter anderem der lutherische Tölzer Knabenchor bei der Messe dabei.

In seiner Predigt ging Franziskus von drei Worten aus, die „wesentlich für das Leben eines Apostels“ seien: Bekenntnis, Verfolgung, Gebet. „Das Bekenntnis ist das des Petrus im Evangelium, als die Frage des Herrn vom Allgemeinen ins Besondere geht. In der Tat fragt Jesus zunächst: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“. Bei dieser „Umfrage“ ergibt sich von vielen Seiten, dass das Volk Jesus als Prophet ansieht. Und so stellt der Meister an die Jünger die wirklich entscheidende Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“. Da antwortet nur Petrus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“. Das ist das Bekenntnis: in Jesus den erwarteten Messias sehen, den lebendigen Gott und den Herrn des eigenen Lebens.“

Lebensentscheidung für Jesus erneuern

Die Frage Jesu von damals gehe heute an alle Christen, vor allem an die Bischöfe. „Es ist die entscheidende Frage, vor der keine Höflichkeitsantworten bestehen können, weil das Leben auf dem Spiel steht: Eine lebenswichtige Frage erfordert eine Antwort fürs Leben. Denn es nützt wenig, die Glaubensartikel zu kennen, wenn man nicht Jesus, den Herrn, im eigenen Leben bekennt. Er schaut uns heute in die Augen und fragt: „Wer bin ich für dich?“ Als würde er sagen: Bin ich noch der Herr deines Lebens, die Ausrichtung deines Herzens, der Grund deiner Hoffnung, dein unerschütterliches Vertrauen?“

Der Papst rief seine Zuhörer dazu auf, ihre „Lebensentscheidungen“ als Jünger Jesu zu erneuern. Es gehe darum, „nicht nur mit Worten, sondern mit Taten und im Leben“ die Seinen zu sein.

„Fragen wir uns, ob wir Wohnzimmerchristen sind, die darüber schwatzen, wie die Dinge in der Kirche und in der Welt laufen, oder Apostel auf dem Weg, die Jesus mit dem Leben bekennen, weil sie ihn im Herzen haben. Wer Jesus bekennt, weiß, dass er nicht bloß gehalten ist, Meinungen abzugeben, sondern das Leben hinzugeben.“

Mitschuldiges Schweigen bei heutigen Christenverfolgungen

Wer Jesus bekenne, müsse es halten wie Petrus und Paulus: Risiken eingehen und Ihm nachfolgen „bis zum Äußersten“, nicht nur „bis zu einem bestimmten Punkt“.  Verfolgungen – das zweite Wort, von dem der Papst ausging – blieben nie aus, damals nicht und heute nicht.

„Auch heute werden in verschiedenen Teilen der Welt, zuweilen in einem Klima des Schweigens – nicht selten eines mitschuldigen Schweigens –, viele Christen ausgegrenzt, verleumdet, diskriminiert, zum Ziel von mitunter tödlichen Gewaltakten. Nicht selten fehlen die nötigen Bemühungen derer, die dafür sorgen könnten, dass ihre legitimen Rechte geachtet werden.“

Christus gebe es „nicht ohne das Kreuz“, und ohne Kreuz gebe es auch „keine Christen“. „Das Böse ertragen heißt nicht nur, Geduld zu haben und mit Ergebung weiterzumachen; ertragen bedeutet Jesus nachzuahmen, bedeutet die Last zu tragen, sie für ihn und für die anderen auf den Schultern zu tragen. Es heißt das Kreuz anzunehmen...“

Gebet lässt uns die Prüfungen meistern

Drittes Wort: Gebet. Das sei das „Wasser“, das die Mühle der Hoffnung am Laufen halte. „Das Gebet schenkt uns die Erfahrung, dass wir geliebt sind, und erlaubt uns zu lieben. Es lässt uns in den dunklen Augenblicken weitergehen, weil es ein Licht Gottes anzündet. In der Kirche ist es das Gebet, das uns alle trägt und die Prüfungen meistern lässt... Wenn man nicht betet, weht der Geist des Lebens nicht, und ohne das Gebet öffnen sich nicht die inneren Verließe, in denen wir gefangen sind.“

Die Kirche brauche „so dringend Meister des Gebets“, sagte der Papst, „aber zuallererst betende Männer und Frauen, die wirklich im Gebet leben.“ „Der Herr greift ein, wenn wir beten; er erweist sich treu gegenüber der Liebe, die wir ihm bekannt haben, und er ist uns nahe in den Prüfungen. Er hat den Weg der Apostel begleitet und er wird auch euch, liebe Kardinäle, begleiten, die ihr hier in der Liebe der Apostel versammelt seid, die ihren Glauben mit dem Blut bekannt haben. Er wird auch euch nahe sein, liebe Erzbischöfe, die ihr durch die Auflegung des Palliums bestärkt werdet, für die Herde zu leben und dabei den Guten Hirten nachzuahmen, der euch erhält, da er euch auf den Schultern trägt.“

(rv 29.06.2017 sk)








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