Der ägyptische Jesuit Henri Boulad hat aus Sympathie für die Migrationspolitik
Ungarns die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen. Prinzipiell sei eine Unterstützung
von Flüchtlingen und Armen „richtig und gut", aber „ein wenig klarer Kopf würde dabei
auch gut tun", sagte der 85-jährige Boulad in einem Interview mit der ungarischen
Wochenzeitung „Heti Valasz", dessen Wortlaut das österreichische Magazin „Kirche In"
auf Deutsch veröffentlichte. Die Aufnahmefähigkeit Europas habe „ihre Grenzen". Der
langjährige ägyptische Jesuiten-Provinzial und Direktor des „Jesuit Cultural Center"
in Alexandria kritisierte eine „bedingungslose Zuwanderung" und warnte vor einer künftigen
muslimischen Bevölkerungsmehrheit in Europa. Er „bewundere" Papst Franziskus, sei
aber mit ihm in der Frage der Migration und des Islam „nicht einverstanden".
Zurückhaltend bewertet der ehemalige Caritas-Chef für Ägypten, der von 1991 bis 1995
Vize-Vorsitzender von „Caritas Internationalis" für Nordafrika und den Nahen Osten
war, die Flüchtlingshilfe der katholischen Kirche. Initiativen wie die Flüchtlingsmission
der ungarischen Jesuiten oder die „Vorhaben des Papstes" seien „großartig und vom
Evangelium her motiviert". Man könne sich aber „trotz der Ehrlichkeit irren", so der
Ordensmann: „Ich meine, dass der Westen und der Papst die wahre Natur des Islam nicht
kennen." Nach dem Selbstverständnis des Islam sei „ein friedliches Zusammenleben auf
längere Zeit unmöglich, oder nur unter der Bedingung, dass sich die Christen als zweitrangige
Bürger zufrieden geben", sagte Boulad.
Maßgebliche Politiker in Europa, aber auch die katholische Kirche unterschätzen
aus seiner Sicht die von den beherrschenden Strömungen Islam ausgehende Gefahr. Politische
Korrektheit, meinte der Jesuit wörtlich, „demoliert den Westen: sie macht es unmöglich,
dass wir die wirkliche Gefahr des Islam begreifen".
Die Kirche habe sich die Sichtweise des französischen Islamologen Louis Massignon
(1883-1962) angeeignet, für den der mystische Sufismus das Wesen des Islams bedeutet
habe. Der Islam habe jedoch historisch nicht diesen „mekkanischen", sondern den „medinischen"
Weg gewählt, der ihn bis heute bestimme: „Die Suren des Korans, die gegen die Ungläubigen
zur Gewalt und zum Dschihad aufrufen, stammen aus der Medina-Zeit [des Propheten Mohammed,
Anm.], die toleranten, mystischen Suren aus der Mekka-Zeit." „Rom", befand Boulad,
verstehe dies nicht und „die Christen des Ostens, die den Islam von innen kennen,
werden nicht gefragt, man stellt sie auf die Seite".
Die katholische Kirche, so der Befund des Jesuiten, stütze sich beim Verhältnis zum
Islam auf die Expertise von „Experten, die in Paris, Berlin oder Amerika als durchaus
großartige Islamologen gelten, deren Ansichten aber rein akademisch sind" und sei
so „in die Falle des christlich-islamischen Dialogs geraten, der in Wirklichkeit einem
Dialog von Tauben gleicht". Boulad sieht diesen Dialog auch nach 50 Jahren „noch immer
bei seinem Ausgangspunkt". Große Ankündigungen über Reformen im Islam hätten meist
kaum Konsequenzen.
Der Jesuit beklagte auch, dass es mit ihm selbst ebenso wenig einen Dialog geben.
Französische und kanadische Bischöfe hätten seine Auftritte in ihren Ländern verboten.
„Massen von gemäßigten und intelligenten Muslimen und Muslima denken wie ich. Sie
versuchen, den Islam zu zerstören, um die Muslima und Muslime zu retten", zeigte sich
Boulad in dem Interview überzeugt. Die Liberalen des Islam seien „den Schönheiten
ihrer Religion treu. Um diese zu bewahren und zu verteidigen, wollen sie sich von
der ihnen aufgezwungenen Diktatur befreien."
(kap 12.05.2017 gs)
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