2017-03-23 10:09:00

Papstreise nach Mailand: Die zwei Gesichter der Metropole


Wieder mal ein Blitzbesuch: Für einen Tag besucht der Papst am Samstag Mailand. Aus kirchlicher Sicht wichtig: Mailand ist das größte Erzbistum Europas. Der Mailänder Erzbischof ist Nachfolger des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius; die hiesige Kirche hat einen eigenen, den ambrosianischen, Ritus. Hier war Paul VI. Erzbischof, bevor er Papst wurde, und hier wirkte der Jesuitenkardinal Martini, eine prägende Gestalt der Kirche im ausgehenden 20. Jahrhundert.

Ein Tag in Mailand also. Die Stadt ist auch der Wirtschaftsmotor Italiens. „Eine Stadt, die weiterhin sehr wettbewerbsfähig ist“, sagt uns der Bürgermeister Giuseppe Sala. „Eine Stadt, die alles für die Wirtschaft tut, aber auch eine solidarische Stadt. Ich hoffe, dass der Papst das mit eigenen Augen sehen wird: Mailand hat große Schritte nach vorn gemacht, was die Solidarität betrifft.“

Mailand mit dem Janusgesicht. Da ist auf der einen Seite die brummende Wirtschaftsleistung. Und da sind Touristenzahlen, die sogar die von Rom übertreffen. „Aber dann ist da das Thema der Vorstädte. Stadtviertel, in denen es noch viel Armut und soziale Unsicherheit gibt. Der Stadtrat will unter meiner Leitung viel an der Peripherie investieren: Sozialer Wohnungsbau, aber auch öffentliche Orte, an denen sich die Menschen treffen können. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird man trotz aller Erfolge von Mailand doch immer einen schalen Geschmack im Mund haben.“

Was Bürgermeister Sala von Mailands tristen Rändern erzählt, könnte genauso gut für Rom gelten. 30.000 Wohnungen gehörten der Stadt, erzählt er – und in der Regel seien sie in ausgesprochen schlechtem Zustand. Hier könne man Menschen eigentlich nicht würdig wohnen lassen. „Dann gibt es Stadtviertel, die man an den öffentlichen Transport anschließen müsste, damit das Zentrum für sie mehr in die Nähe rückt. Und dann fehlt es oft an einem öffentlichen Ort, an dem sich die Menschen zusammenfinden können. Vor allem ältere Menschen haben in diesen Vorstädten keinen Saal, wo sie sich mal untereinander treffen könnten. Auch das Thema Sicherheit brennt uns unter den Nägeln. Es reicht nicht, wenn man all diese Probleme nur punktuell angeht – man müsste sich umfassend mit allen auf einmal beschäftigen.“

Mailand – das ist auch eine Stadt mit ausgesprochen vielen Migranten. Das sieht man auch im Straßenbild, vor allem rund um den Hauptbahnhof. „Migranten haben einen Bevölkerungsanteil von 19 Prozent in der Stadt – das ist das Doppelte des italienischen Durchschnitts. Ehrlich gesagt tragen sie auch viel zur Wirtschaftsleistung der Stadt bei; einige Gemeinschaften sind sehr integriert. Aber die Migranten, die jetzt gerade kommen, sind anders: Die flüchten vor dem Krieg oder dem Hunger. Bis vor etwa einem Jahr blieben nur zehn Prozent der Migranten, die Mailand erreichten, hier, die anderen reisten weiter nach Norden: Schweiz, Frankreich, Deutschland. Heute ist es schwieriger für uns, denn siebzig Prozent von ihnen stellen bei uns einen Antrag auf Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus. Wir haben nicht genug Strukturen für die unmittelbare Erstaufnahme; dann müssen wir uns um die unbegleiteten Minderjährigen kümmern, sie ins Schulwesen integrieren usw. Das ist nicht leicht. Ich muss eines sagen: Wenn wir keine Mittel finden, um diese Migranten irgendwann mal in den Arbeitsmarkt einzuschleusen, dann wird das eine verlorene Schlacht sein. Mailand hilft, wo es kann, aber am Ende müssen Lösungen auf den Tisch. Denn Integration läuft über Arbeit.“

Sala ist von Haus aus Unternehmer; er gehört zu Renzis Demokratischer Partei und ist seit noch nicht einmal einem Jahr Hausherr im Mailänder Rathaus. Wenn er von seiner Stadt spricht, ist ihm der Stolz anzumerken. „Es ist ganz klar, dass Mailand einen positiven, fruchtbaren Moment erlebt. Es ist stark, weil seine einzelnen Komponenten stark sind. Das Uni-System, mit mehr als 200.000 Studenten, von denen an die acht Prozent aus dem Ausland kommen; die Industrie, die Kreativen, Mode, Design, Technologie... Aber gleichzeitig sagen uns die Statistiken, dass ein Mailänder von zehn sich ehrenamtlich engagiert, und das ist eine unglaubliche Zahl. Also, wir denken, dass die Kraft dieser Stadt von ihrer Fähigkeit herrührt, diese Welten zusammenzubringen und eine Politik umzusetzen, die öffentlich und privat untereinander verbindet.“

Der Papst fängt seinen Besuch am Samstag, symbolträchtig genug, in einer Vorstadt an: Er besucht einen Komplex von Sozialwohnungen, erst danach erreicht er das Zentrum. Ein Gefängnis steht auch auf seinem Reiseprogramm. „Ich erwarte mir, dass diese Aufmerksamkeit für die Vernachlässigten und Bedürftigen sich durch den Papstbesuch in die ganze Mailänder Gesellschaft weiter übersetzt. Ich hoffe aber auch, dass Franziskus die Stadt dann mit der Erkenntnis verlassen wird, dass man auch wettbewerbsfähig wie Mailand sein – und trotzdem ein hohes Niveau an Solidarität aufbringen kann. Dass dieser Mix funktioniert. Und dass Mailand in dieser Hinsicht ein Beispiel für andere Städte sein kann.“

(rv 23.03.2017 sk)








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