2017-02-18 10:28:00

Papstbesuch in Ponte di Nona: Was findet er dort vor?


Papst Franziskus besucht an diesem Sonntag die Pfarrei Santa Maria Josefa del Cuore di Gesu am östlichen Stadtrand. Um 16 Uhr wird er in der Kirche eintreffen, vier Pfarreimitgliedern die Beichte abnehmen und dann die Messe zelebrieren. Es ist die Pfarrei einer unserer Mitarbeiterinnen, Christine Seuss. Stefan von Kempis bat sie zum Kollegengespräch.

RV: Christine, was ist Ponte di Nona denn für ein Stadtteil?

Christine Seuss: Ponte di Nona ist ein Stadtteil, in dem man auf absolute Armut treffen kann, vor allem derjenigen, die schon seit Jahrzehnten hier wohnen – böse gesagt, wer kann, zieht sicherlich wieder weg. Rund um die Kirche sind fürchterliche Sozialbauten aus den 90er Jahren, die wurden damals auf die grüne Wiese gebaut und sind heute schon unglaublich heruntergekommen; es liegt auch Dreck auf den Straßen, ein Abbild des Elends und mangelnder Sozialkultur der Bewohner. Das kann man sich in einem gepflegten mitteleuropäischen Umfeld fast nicht vorstellen.

RV: Und da wohnt ihr mitten drin?

CS: Nein, wir wohnen ein wenig weiter von der Kirche weg... Gerade in den vergangenen Jahren sind viele junge Familien in ganz ansehnliche Neubautensiedlungen dort gezogen, darunter bin auch ich mit meiner Familie. Der Wohnraum in der Peripherie ist halt, im Gegensatz zum Zentrum, erschwinglich, außerdem hatte die Stadt viele Versprechen gemacht, was die Infrastruktur und andere Dienste angeht.

RV: Und die Versprechen wurden nicht gehalten?

CS: Nein, leider nicht. In den Jahren 2005 bis 2010 gab es einen echten Bauboom, der dann mit der großen Krise etwas eingebrochen ist, mittlerweile wird aber wieder munter gebaut. Es gibt aber immer noch keine direkte Anbindung an die Autobahn und die Straßen, die ins Zentrum führen. Die Straße, die unser Gebiet mit der Autobahn verbinden soll, ist schon teilweise angelegt, aber seit Jahren liegt sie brach.

RV: Und wie muss man sich das dann vorstellen? Geht ihr zu Fuß, nehmt ihr öffentliche Verkehrsmittel?

CS: Naja, seit 2009, als das Neubaugebiet eröffnet worden ist, gibt es dort einen "Trampelpfad" für Autos, den beispielsweise die Busse weiträumig umfahren müssen und der oft wegen Unfällen gesperrt ist, eben weil dieses Sträßchen so eng und steil ist. Es hieß lange Zeit offiziell Via mejo di niente, „Besser-als-Nichts-Straße“, was nach einem Witz klingt, aber leider keiner ist. Jetzt haben sie den Namen geändert, an der Sitution ändert das aber natürlich nichts. Und die nächste größere Straße, die direkt ins Zentrum führt, die Via Prenestina, ist morgens und abends dermaßen verstopft, dass man Stunden braucht… Die nächste Zugstation muss mit dem Auto oder eben mit dem Bus, der ewig braucht, angefahren werden. Auch die wenigen öffentlichen Kindergärten in der Gegend sind heillos überfüllt, wer aus einer funktionierenden Familie ohne soziale Probleme kommt, hat eigentlich keine Chance auf einen öffentlichen Platz.

RV: Wie müssen wir uns denn die Situation rund um die Pfarrei vorstellen, du meintest ja, dort konzentriert sich besonders viel Armut?

CS: Ja, gerade um die Kirche sind wie gesagt Sozialbauten der eher frühen Generation, die mittlerweile komplett herunter gekommen sind. Natürlich gibt es in der Gegend auch ein Drogenproblem, und die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Erst vor etwa einem Jahr wurde hundert Meter von der Kirche entfernt ein kleiner Drogenkrieg ausgetragen, der auch ein Todesopfer gefordert hat. Aber die Kirche ist auch ein Lichtblick in diesem Elend: Es gibt ein Pfarreitheater, das der neue Pfarrer jetzt mit Leben füllen will, und auch gut ausgestattete Sportplätze. Etwa 200 Kinder sind regelmäßig in der Pfarrei, für den Katechismus und für die Freizeitangebote, und insgesamt sind die Sonntagsmessen immer sehr gut besucht. Die Messe wird aber jeden Tag außer samstags zelebriert, und das Pfarreibüro steht jedem und jederzeit offen. Und das alles mit nur zwei Priestern, das finde ich schon beeindruckend.

RV: Gibt es denn auch weitere Aktivitäten der Pfarrei, beispielsweise im sozialen Bereich?

CS: Ja, die diözesane Caritas ist sehr aktiv, viele Freiwillige helfen dort bei der Verteilung von Essenspaketen an über 200 Familien, es werden so etwa 600 Personen mit dem nötigsten versorgt. Oft organisieren die Freiwilligen auch Sammelaktionen im Supermarkt, und wenn man dort einkauft, wird man gebeten, Nudeln, Thunfisch, Öl und andere haltbare Dinge beizusteuern, die dann an die Armen gehen. Die Kirche tut das, was sie kann, aber es kann natürlich nicht alles auf den Schultern der Kirchengemeinde abgeladen werden. Die Politik müsste endlich in Bewegung kommen und die Probleme anpacken, die eine Peripherie mit eigentlich ganz normalen Menschen zu einem sozialen Brennpunkt verkommen lassen. Hausgemacht, möchte ich sagen.

RV: Danke für deine Erläuterungen!

(rv 18.02.2017 cs)








All the contents on this site are copyrighted ©.