Rund um Jordanien sind ethnische, politische und religiöse Konflikte an der Tagesordnung: Das hasemitische Königreich grenzt im Westen an die palästinensischen Autonomiegebiete und Israel, im Norden an Syrien sowie im Nordosten an den Irak. Jordanien selbst mit seinen rund 10 Millionen Einwohnern gilt als ein Modell des friedlichen Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, von Menschen unterschiedlichen Glaubens.
Doch auch in Jordanien ist die Lage angespannt. Musa Al Munaizel arbeitet für die Berghof Foundation. Der gebürtige Jordanier, der heute in Berlin lebt, sagt: „Jordanien befindet sich in einer ganz schwierigen Lage durch die kriegerische Auseinandersetzung in Syrien und Irak. Wir müssen wissen, dass ISIS nur ein paar Kilometer weit weg ist von der jordanischen Grenze. Und wir sehen, dass es einige Anschläge bis jetzt gegeben hat, die islamistisch motiviert waren.“
Knapp fünf Prozent Christen
Zwischen zwei und fünf Prozent der jordanischen Bevölkerung sind Christen. In jüngster Zeit kamen mit den Menschen aus Syrien und dem Irak weitere christliche Familien, vor allem aus der Niniveh-Ebene, nach Jordanien. Laila Al-Nimri ist Ordensschwester in Mari Al Hamam und gehört der Kongregation der Jerusalemer Rosenkranzschwestern an. Sie betont, dass in ihrem Alltag Christen und Muslime gut miteinander klar kommen: „Wir leben in einer offenen Gesellschaft, in der sich Christen und Muslime akzeptieren. Wir sind Teil der jordanischen Gesellschaft und fühlen uns sicher. Niemand hier schaut mich komisch an, weil ich Ordensfrau bin.“
König Abdullah II. ist das friedliche Miteinander der Religionen in Jordanien ein besonderes Anliegen. Seine Mutter, Prinzessin Muna, konvertierte vom Christentum zum Islam. Auf seiner Homepage schreibt Abdullah: „Die Werte gläubiger Menschen sind das Herz der jordanischen Gesellschaft. Jordanier glauben verschieden, ihnen allen aber ist Frömmigkeit in ihrem täglichen Leben sehr wichtig. Mir ist es wichtig, die Nationen, Kulturen und Religionen der Welt in ein Gespräch zu bringen. Auf diese Weise will ich Verständigung über gemeinsame Sorgen voranbringen.“
IS hinterlässt auch in Jordanien Spuren
Das Terrorregime des sog. Islamischen Staats hinterlässt auch in Jordanien Spuren. Hunderte Jordanier haben sich dem IS angeschlossen, in Jordanien selbst soll es nicht wenige Sympathisanten geben. Gerade in Zeiten des islamistischen Terrors in den Nachbarländern betont der König den Zusammenhalt aller Jordanier sehr stark. „Es gibt einen Konsens in dieser Gesellschaft, dass wir durch diesen politischen Einfluss von außen uns nicht von unseren Werten ablenken lassen, die wir Muslime und Christen jahrelang gemeinsam gelebt haben“, sagt Al Munaizel, der sich in Programmen der Friedenspädagogik engagiert. „Wir betonen, was uns gemeinsam verbindet. Und wir versuchen, so weit wie möglich, das was uns trennt mit Respekt zu begegnen. Ich gehe davon aus, es gibt einem breiten Konsens, gesellschaftlich getragen. Die werden uns nicht auseinander dividieren.“
Jordaniens Geschichte ist eine Geschichte der Aufnahme von Flüchtenden. Etwa die Hälfte der heutigen Bevölkerung sind Nachkommen von Palästinensern, die hierher geflohen waren. Und auch jetzt wurden viele Flüchtlinge in Jordanien aufgenommen.
„Es mag im Moment aus der Perspektive von Europäern so aussehen, als wäre die syrische Flüchtlingskrise etwas nie Dagewesenes“, erläutert Dorit Schumann, die Vizepräsidentin der Deutsch-jordanischen Universität in Amann. „So ist es aber nicht, denn dieses Land hat schon nach der palästinensischen Flüchtlingskrise mit den irakischen Flüchtlingen oder mit den Syrern, die im Moment in das Land kommen, eine ganze Menge Erfahrung.“
80.000 Menschen in einem Lager
Was das kleine Königreich für die Versorgung von Flüchtlingen leistet, ist enorm. Im Flüchtlingslager Zaatari an der Grenze zu Syrien beispielsweise leben 80.000 Menschen, damit ist Zaatari die viertgrößte Stadt Jordaniens. Im Camp Azraq sind es 50.000. In Amann sollen es inoffiziellen Angaben zufolge über eine Million Flüchtlinge sein. Dorit Schumann: „Das Land geht hervorragend damit um. Es nimmt die Flüchtlinge insgesamt sehr, sehr gastfreundlich auf. Das Thema Integration ist nicht so schwierig wie beispielsweise in Europa. Denn es ist ein Kulturkreis, aus dem die Menschen kommen.“
Jordanien verfügt über nur wenige natürliche Ressourcen. Der Tourismus, gerade am Toten Meer, hat deshalb große ökonomische Bedeutung: Die Zahl der Touristen ist jüngst massiv zurückgegangen - auch eine Folge der Gewalt in Syrien und im Irak. Uli Jäger, der für die Berghof Foundation und auch im Auftrag des Auswärtigen Amtes, Projekte in Jordanien unterstützt, fordert auf der einen Seite ein europäisches Engagement in Jordanien. Aber: „Die andere Seite ist die, dass auf der politischen Ebene den Menschen hier in diesem Land Jordanien es viel bringt, wenn wir in unserem Land Bedingungen schaffen, die ihnen das Leben erleichtern, das heißt auch dazu beitragen, dass es ökonomische, soziale und politische Perspektiven für den Nahen Osten gibt.“
(rv 28.12.2016 mch)
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