2016-01-24 09:00:00

Psychologe, Theologe – und Enkel von Thomas Mann


Er selbst nennt sein Leben eine „Achterbahn“: Frido Mann, Psychologe – und Enkel von Thomas Mann. Er kommt aus einer Familie, die immer wieder mal als die „deutschen Windsors“ beschrieben wird: eine Dynastie der Literatur rund um den Nobelpreisträger Thomas Mann, gezeichnet von Ruhm und großen Büchern, aber auch von Tragik, von Drogen, Selbstmorden, vielen Brüchen. Aus dieser Familie ist Frido Mann der einzige, der katholische Theologie studiert hat. Stefan Kempis von Radio Vatikan sprach mit ihm über seine Vorstellungen zum Thema Religion.

„Das ist doch der kleine Nepomuk...“

Frido Mann wird 1940 im kalifornischen Exil als Sohn von Michael Mann geboren, dem jüngsten Sohn von Thomas Mann. Auf Betreiben seines berühmten Großvaters erhält er die Taufe in der unitarischen Kirche – einer reformierten Konfession, der sich Thomas Mann in den USA angenähert hat. Frido ist ein Liebling Thomas Manns; allerdings lässt dieser in seinem Roman „Doktor Faustus“ den kleinen Nepomuk, der nach dem Vorbild Fridos gestaltet ist, qualvoll sterben. „Das ist doch der kleine Nepomuk, der vom Teufel geholt wird“, sowas hört Frido Mann in seiner Kindheit immer wieder tuscheln. Als sein Großvater 1955 stirbt, ist der Vierzehnjährige zunächst mal erleichtert, ein „alles verdunkelnder Schatten“ weicht von ihm.

Nach dem Abitur in der Schweiz studiert Frido Mann zunächst Musik. Mit Anfang 20 macht er eine schwere innere Krise durch, konvertiert in einem längeren Prozess zur katholischen Kirche, studiert katholische Theologie und wird in Münster wissenschaftlicher Assistent von Karl Rahner. Gleichzeitig orientiert er sich aber wieder um, zur Psychologie. Innerlich nimmt er vom Katholizismus Abstand, 2009 tritt er aus der katholischen Kirche aus.

„Das Versagen der Religion“

Seit den achtziger Jahren ist Frido Mann auch Schriftsteller: Über Musik schreibt er, über Psychologie, über seine berühmte Familie – und natürlich auch über Religion. In dem Buch „Das Versagen der Religion – Betrachtungen eines Gläubigen“ kritisiert er 2013 eine „innere Erstarrung und Verarmung der sich auch noch gegenseitig bekämpfenden Religionsgemeinschaften“. Die christlichen Kirchen sollten, so fordert er im November 2015 im Gespräch mit „Christ in der Gegenwart“, „ihre hierarchische Struktur aufgeben, sich regionalisieren und vom Staat loslösen“. Die monotheistischen und die fernöstlichen Religiönen könnten „viel voneinander lernen“; Religion lebe von Metaphern, die „Bilder“ seien „und keine absoluten Wahrheiten, die man über andere Wahrheiten stellt“.

Der Ernsthaftigkeit der Sinnsuche vieler Menschen würden die christlichen Kirchen häufig nicht gerecht. Sie sollten sich, so schlägt er vor, mit „nichtkirchlichen Sinnorientierungen“ wie Ökologie, Kunst oder Kultur „zusammentun“ und sich in Kooperation mit ihnen „die alten Texte vornehmen“, um wirklich Antworten auf  die heutige Sinnsuche zu geben. Religion in einem größeren Zusammenhang, mit Natur, Kunst, Kultur: Frido Mann träumt davon, „dass Religion in der klassischen Definition aufgehoben wird in einem größeren Zusammenhang, aber ohne dass die Grundaussagen dadurch verloren gehen“.

Dabei kann er sich keinen einfachen Rückbau des Christentums auf seine Urform vorstellen: Das „Rad der Geschichte“ lasse sich nicht einfach „zurückdrehen“. Genau das sei „das Problem der Reformation“ gewesen: „Sie versuchte eine Reduktion auf die Bibel, aber da bleibt nicht viel übrig.“ Mann hat einstmals als katholischer Theologe über Martin Luther promoviert.

„Man erfährt als Ungläubiger keine Enttäuschung – aber man erlebt eine Leere“

Bis vor zwölf Jahren, als Mann anfing, sich „an sein Theologiestudium zu erinnern“ und sich wieder mit dem Thema Religion zu beschäftigen, sah er sich selbst als „ungläubig“. „Ich ahnte zwar, dass es irgendwo noch eine Wichtigkeit gibt“, sagt er, „auch als Psychotherapeut habe ich auf Gebieten gearbeitet, auf denen oft die Grenzen der menschlichen Existenz erreicht wurden“; aber er habe sich „keine Gedanken darüber gemacht“. „Man erfährt als Ungläubiger keine Enttäuschung“, sagt er heute. „Aber man erlebt eine Leere.“

Heute bestehe sein Glaube darin, „zu einer Sinnfindung und Werteerfahrung zu kommen, die das Leben bereichern und lebenswert machen“. Das sei ein Glaube außerhalb der Kirchen, ja – „aber in den Fußstapfen der Tradition“, sagt Mann. Jedenfalls, wenn man „einzelne Vorbilder“ heranziehe „wie Franz von Assisi oder Ignatius von Loyola“. Es gebe „eine Fülle an Quellen, um sich den Möglichkeiten einer Sinnfindung zu stellen“. Auch das betonte Ablehnen eines religiösen Glaubens, wie man das etwa bei Naturwissenschaftlern findet, sei „ein Glaube“. Der Thomas-Mann-Enkel verweist auf Richard Dawkins: Der beschimpfe in seinem Buch „Der Gotteswahn“ alles, „was auch nur in den Verdacht von Religion“ komme.

„Am Ende aber legt er ein Credo für das Leben ab. Das ist der beste Teil des Buches“, sagt Frido Mann. „Denn genau darum geht es.“

(rv 24.01.2016 sk)








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