2015-10-03 08:00:00

Kardinal Marx: Die schwierigen Fragen nicht leichtreden


Die deutschsprachigen Kirchen sind im Fokus der Debatte, wenn es um die Familie geht. Die Vorschläge von Kardinal Kasper, die Papiere der deutschen Bischofskonferenz, aber auch die Kritik von außen richten sich vor allem auf die Punkte von wiederverheirateten Geschiedenen und ihrem Zugang zu den Sakramenten. Dieses Thema und die Frage nach dem Umgang mit Homosexualität prägt im Vorfeld der zweiten Synode zum Thema die öffentliche Debatte. „Das ist wirklich eine zu starke Verkürzung, das ist überhaupt keine Frage“: Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz ist Synodaler bei beiden Versammlungen. Ihm ist es ein Anliegen, dass das Thema Familie in seiner ganzen Breite debattiert wird, nicht nur in seinen Verkürzungen.

„Es geht um die Frage – und möglicherweise spitzt sich das deswegen zu – wie wir mit den Lebensverhältnissen der Menschen heute so umgehen, dass sie spüren, dass die Kirche ihnen seelsorglich zur Seite stehen will. Und das ist natürlich eine grundsätzliche Frage an das Auftreten der Kirche insgesamt und an das, was Kirche heute in der Gesellschaft sein will.“ Kurz: Wie will sich die Kirche in einer pluralen Gesellschaft darstellen.

Lehre, praktisches Leben und die Sehnsucht der Menschen

Von der Aufmerksamkeit her sei das Thema sehr prominent, dogmatisch gesehen gibt es andere Themen, die etwas theoretisch bleiben, etwa Auferstehung und ewiges Leben. Katholische Lehre sei aber immer auf das engste mit dem praktischen Leben verbunden,  so Marx, sie wolle gelebt werden, wie etwa in der Familie. Deswegen sei es so wichtig, über diese Themen zu spreche. „Die meisten Menschen wollen eine Verbindung von Mann und Frau, und zwar für immer. Sie möchten, dass jemand da ist der sagt ‚du - und du für immer‘ und möchten darauf antworten ‚du - und du für immer‘ und sie möchten gemeinsam Kinder haben, eine Familie gründen. Das ist das Lebensprojekt der überwältigenden Zahl der Menschen.“

Bei der Frage nach Glück sei die Familie zentral, deshalb habe die Kirche dazu auch etwas zu sagen. Das werde Kirche auch niemandem ausreden wollen, im Gegenteil. „Die Frage ist nur, was ist wenn diese Zielrichtung scheitert und ich nicht das Ziel erreiche. Wie stehst du, Kirche, dann zu mir? Wie kann ich dann trotzdem, obwohl ich nicht erreicht habe, was ich mir vorstelle, ein gelingendes und gutes Leben führen?“

Keine Normen von oben

Die Wahrnehmung der Kirche sei aber oft eine andere, gesteht der Kardinal ein, „Vielleicht ist es etwas quer rübergekommen als Normen, die von oben her den Menschen einengen. Aber das ist es ja nicht, es soll ja ein ‚Evangelium‘ von der Familie sein.“ Einfach ist der Weg dahin nicht. Was auch dem Willen Jesu entspreche: ein Blick in die Schrift zeige, dass es keine einfache Anpassung geben könne. „Kein Thema behandelt Jesu so oft, an sieben Stellen im Evangelium spricht er dazu [zur Ehe]. Und diese sieben Worte sind schon sehr stark. Sie setzen sich auch ab von der damaligen Praxis der Ehescheidung, die es ja gab. Jesus sagt bewusst etwas anderes: ‚was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen‘. Wir sollten das nicht zu schnell bei Seite schieben; ‚das hat er nicht so gemeint‘.“ Jesus habe keine Ehe als pragmatische Lösung zur Kinderzeugung oder zur finanziellen Absicherung gewollt, er habe eine wirkliche Beziehung gewollt, die etwas mit Gott zu tun hat, so Kardinal Marx.

Der Kardinal wirbt für den Blick auf die Einzelnen, für einzelne Geschichten, Sünden, Wunden, Schicksale. Das gelte es ernst zu nehmen, und dann werde man auch vielleicht Lösungen finden für Beichte und Kommuniongemeinschaft. Ebenfalls plädiert er für ortskirchliche Lösungen. Er wendet sich aber dagegen, diese schwierige Frage „leichtzureden“, indem man sich einfach anpasse an das, was allgemein üblich sei. Auch könne es keine schematischen Prozesse geben, das Thema gehöre in die Seelsorge hinein. Das, was in der eigene Geschichte passiert ist, das Scheitern an sich oder am Partner, sei eine Frage der Pastoral. Die Lebensverhältnisse hätten sich geändert, die Kirche sei kein Museum, in dem einfach nur Altes wiederholt werde. „Nicht nur schimpfen über den Zusammenbruch der Moral, immer nur das Negative, „diese schlimme Welt, furchtbar“. Sondern: was tun wir, um den Menschen zu helfen, die sagen, sie seien in einer Krise, der Mann ist fremd gegangen oder man hat sich nichts mehr zu sagen und auseinander gelebt. Da nicht zu sagen ‚dann geht doch auseinander‘, sondern zu fragen, wie man seelsorglich und beratend helfen kann, dass eine Ehe gelingen kann. Und es ist ja nicht so, als ob wir da überhaupt keine Erfahrung hätten.“

Der Papst will Entwicklung

Es wird die zweite Versammlung der Bischofssynode zum selben Thema, was in der Geschichte der Synode zum ersten Mal vorkommt. Deswegen stellt sich die Frage, was Papst Franziskus damit erreichen will. „Es ist eindeutig und klar, dass wenn jemand zwei Synoden zum selben Thema macht, er eine Entwicklung will. Die hätte noch intensiver sein können, deshalb haben wir als Deutsche Bischofskonferenz oder haben das einige Fakultäten ja auch aufgegriffen. Was ich an Berichten aus der ganzen Welt bekomme, ist schon sehr interessant. Der Papst hat ja am Ende der ersten Synode gesagt, ‚Diskutiert! Sprecht darüber! Freimütig!‘ Und jetzt wird freimütig gesprochen und dann haben alle Angst vor diesem Freimut.“ Der Papst habe den Eindruck gehabt, hier liege ein wichtiges Thema für die Zukunft der Kirche. Hier sei Diskussion notwendig und auch vielleicht eine neue Sprache, so Kardinal Marx. „Man kann nicht zwei Synoden veranstalten und dann nur wiederholen, was man immer schon gesagt hat, das wäre nicht sehr ermutigend.“

(rv/br 03.10.2015 ord)








All the contents on this site are copyrighted ©.