2015-07-11 09:17:00

Prozess im Vatikan: Wesołowski wegen Missbrauch angeklagt


Der Prozess gegen den ehemaligen Päpstlichen Nuntius in der Dominikanischen Republik, Józef Wesołowski, ist vertagt worden. Der Angeklagte sei krank und liege in einem römischen Krankenhaus auf der Intensivstation, wurde am ersten Prozesstag an diesem Samstagmorgen - sieben Minuten nach Auftakt der Gerichtsverhandlung im Vatikan - bekannt gegeben. Die Anklage gegen den ehemaligen Bischof und ehemaligen Priester lautet sexueller Missbrauch von Minderjährigen. Außer diesen in der Dominikanischen Republik begangenen Taten soll er außerdem auf seinem Computer kinderpornografisches Material gespeichert haben. Zudem beschuldigte der vatikanische Staatsanwalt Wesołowski, für "schwere psychologische Schäden" seiner Opfer verantwortlich zu sein und mit seinem Verhalten "die Prinzipien der christlichen Religion und Moral" verletzt zu haben. 

In einem ersten kirchenrechtlichen Prozess war Wesołowski die Würde als Bischof und Priester aberkannt worden, er darf diese Ämter nicht mehr ausüben. Gegen dieses Urteil hat er Berufung eingelegt. Der zweite, strafrechtliche Prozess beruht auf einem Moto Proprio Papst Franziskus aus dem Jahr 2013, nach dem vatikanisches Strafrecht auch für Mitarbeiter gilt, die nicht auf Vatikangebiet selber arbeiten, also für die Botschaftsmitarbeiter, so sie denn eine vatikanische Staatsbürgerschaft haben. Experten gehen davon aus, dass der Strafprozess gegen Wesołowski noch bis Anfang 2016 dauern wird.

Der Pole Wesołowski war 1972 zum Priester geweiht worden und im Vatikanischen Diplomatischen Dienst tägig, ab 2008 war er als Nuntius in der Karibik. 2013 wurde er abberufen, nachdem Vorwürfe gegen ihn bekannt wurde, er habe minderjährige Jungen missbraucht und für sexuelle Handlungen bezahlt. Auch die Dominikanische Republik, auf dessen Staatsgebiet die Taten begangen wurden, wollte Wesołowski anklagen, es kam zu einer Übereinkunft, nach der zunächst im Vatikan der Prozess geführt wird. Eine spätere Auslieferung sei nicht ausgeschlossen, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi betont, das liege an der Frage, ob die Dominikanische Republik oder auch Polen, dessen Staatsbürger Wesołowski ebenfalls ist, einen Auslieferungsantrag stellten.

2014 war Wesołowski dann kirchenrechtlich verurteilt worden und kurz darauf im Vatikan unter Hausarrest gestellt worden, in Vorbereitung auf den Strafprozess.

Das Vatikanische Strafrecht sieht drei Instanzen für einen solchen Prozess vor, nach dem ersten Prozess kann ein Berufungsgericht eingeschaltet werden, danach noch die letzte Instanz, das Kassationsgericht. Kenner des Vatikanrechts gehen davon aus, dass Wesołowski bis zu sechs Jahre Haft pro Anklagepunkt drohen könnten, die nach dem Abkommen mit Italien von 1929 im einem italienischen Gefängnis abzusitzen wären. Dies aber nur, falls die Dominikanische Republik keinen Auslieferungsantrag stellt. In diesem Fall müsste sich Wesołowski erneut vor Gericht verantworten.

Der letzte Aufsehen erregende Strafprozess im Vatikan war 2012 gegen den ehemaligen Mitarbeiter von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, geführt worden. Nach vier Prozesstagen war er schuldig gesprochen worden, im großen Stil vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan an Journalisten weiter gegeben zu haben, der Fall war damals unter dem Titel „Vatileaks“ bekannt geworden. Gabriele war zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, dann aber von Benedikt XVI. noch im selben Jahr begnadigt worden.

Die Umstände sind nun anders, bei Gabriele war der Papst selber der Geschädigte, er konnte also die Begnadigung ohne weiteres aussprechen. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass Papst Franziskus das im Fall Wesołowski nicht machen wird.

(rv 11.07.2015 ord)








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