2015-05-02 11:27:00

Caritas-Österreich: Schutz für Mittelmeer-Flüchtlinge ist Frage des Wollens


Caritas-Österreich hat ihren Appell für eine Neuauflage des italienischen Seenotrettungsprogramms „Mare nostrum" und eine menschlichere europäische Flüchtlingspolitik erneuert. „Wir haben die Chance, zu verhindern, dass in Zukunft weitere Zehntausend Menschen hilflos ertrinken“, sagte der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner am Freitag in einem Interview mit „Kathpress" aus der süditalienischen Hafenstadt Catania. „Mare nostrum" würde alle EU-Staaten gemeinsam jährlich rund 150 Millionen Euro kosten. Umgelegt seien das 22 Cent pro EU-Bürger, rechnete er vor. „Es ist keine Frage des politischen Könnens, sondern des politischen Willens", hielt Schwertner fest. Auf Sizilien hätten die Menschen den Mut zu helfen und hinzuschauen. Das wünsche er sich auch von den verantwortlichen Politikern in Österreich und Europa.

Schwertner befindet sich derzeit auf der Insel Sizilien, wo sich österreichische Vertreter von Caritas und Rotem Kreuz seit Mittwoch ein direktes Bild von der Lage und der Versorgung der Bootsflüchtlinge machen. Auf Sizilien gebe es eine „unglaublich große Solidarität und Menschlichkeit" mit den Flüchtlingen, betonte der Caritas-Mitarbeiter. Gleichzeitig höre man von den engagierten Einsatzkräften und örtlichen freiwilligen Helfern immer wieder, dass sich die Menschen auf Sizilien von Europa im Stich gelassen fühlen. „Es ist die Angst hier zu spüren, dass neuerlich Leichen angespült werden an den Stränden. Es ist die Angst da, wenn man in der Früh aufsteht, dass wieder Boote ankommen, dass wieder Leichensäcke gebracht werden", schilderte Schwertner.

Die Caritas- und Rot-Kreuz-Vertreter besuchen bis Samstag Hilfsprojekte ihrer sizilianischen Partnerorganisationen. So werde etwa im größten Flüchtlingslager Siziliens in Mineo alles versucht, um es den dort untergebrachten 3.200 Männern, Frauen und Kindern „so menschenwürdig wie möglich zu machen", sagte Schwertner. Die ankommenden Flüchtlinge seien „sowohl physisch als auch psychisch komplett erschöpft", betonte Rot-Kreuz-Mitarbeiter Walter Hajek im Gespräch mit Kathpress. Die von örtlichen Freiwilligen unterstützen Rot-Kreuz-Helfer kümmerten sich um die medizinische Erstversorgung der Flüchtlingen in den diversen Mittelmeer-Häfen und verteilten Trinkwasser, Lebensmittel, Kleidung.

Bei Caritas-Essensausgaben würden derweil nicht nur die gestrandeten Bootsflüchtlinge versorgt, sondern auch armutsbetroffene Italiener, berichtete Caritas-Generalsekretär Schwertner. „Da wird nicht unterschieden, wer kommt aus Syrien, Eritrea oder Italien, sondern es wird der Mensch gesehen und den Menschen geholfen". Besonders bedrückend sei am Freitagvormittag zudem der Besuch eines Schiffsfriedhofs mit gestrandeten Flüchtlingsbooten in Portopalo di Capo Passero gewesen. „Wie verzweifelt müssen Eltern sein, die mit ihren Kindern kaputte Fischerboote besteigen und hier übers Mittelmeer zu kommen um zu hoffen, dass sie in Sicherheit sind", berichtete der hörbar betroffene Caritas-Generalsekretär, nachdem er selbst in den Rumpf eines der Schiffe hinabgestiegen war.

Schwertner rief erneut dazu auf, die von mehr als 20 Organisationen gestartete Initiative „Gegen Unrecht" zu unterstützen. Freitagmittag hatten sich auf der Website www.gegen-unrecht.at bereits mehr als 34.500 Unterzeichner für eine menschlichere europäische Flüchtlingspolitik ausgesprochen. "Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen noch viele Menschen in Österreich die Initiative unterstützen; nicht damit wir Druck ausüben auf die Politik, sondern dass wir Mut machen für einen menschlichen Umgang mit Schutz suchenden Menschen", sagte der Wiener Caritas-Generalsekretär.

Nach dem von Hilfsorganisationen massiv kritisierten Ergebnissen des jüngsten EU-Gipfels hatte erst am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Staaten zu stärkeren Anstrengungen für eine neue Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder und die Schaffung neuer Regeln für die legale Zuwanderung in die EU aufgefordert. Die österreichische Politik wird sich der Flüchtlingstragödie am Montag in einer Nationalrats-Sondersitzung widmen.

(kap 02.05.2015 gs)








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