2015-01-11 10:32:00

Interview mit Papst Franziskus: „Es gibt kein unbedingtes Recht auf Eigentum“


Mit dem Satz „diese Wirtschaft tötet“ hat Papst Franziskus ein Thema seines Pontifikates gesetzt. In Evangelii Gaudium [53] beschreibt er damit eine Wirtschaftsform, die Menschen ausschließt und Ungleichheit schafft. Aber auch sonst spricht Papst Franziskus oft über dieses Thema, es ist ihm aber weniger wirtschaftstheoretisch als eine Frage der Ethik und der geistlichen Haltung wichtig. Darüber haben nun die beiden italienischen Vaticanisti Andrea Tornielli und Giacomo Galeazzi ein Buch geschrieben, in diesen Tagen erscheint es auf Italienisch. Es sammelt die Aussagen des Papstes zu Armut, Immigration, sozialer Gerechtigkeit, der Finanzwelt und der katholischen Soziallehre.

Das Buch endet mit einem ausführlichen Interview der beiden Herausgeber mit Papst Franziskus selbst, aus dem die Webseite Vatican Insider, für die beide Vaticanisti unter anderem arbeiten, einen Auszug veröffentlichte.

In dem Interview differenziert der Papst, die Globalisierung habe einerseits viele Menschen aus der Armut gerettet, andererseits aber auch neue Armut geschafft, neuen Hunger und neue Ungleichheiten. Darunter läge eine Politik und ein Verhalten des Wegwerfens, greift der Papst ein ihm wichtiges Thema auf. „Wenn im Zentrum des Systems nicht mehr der Mensch steht, sondern das Geld, wenn das Geld zu einem Götzen wird, dann werden Frauen und Männer auf einfache Mittel eines sozialen Systems reduziert, dass von tiefer Ungleichheit charakterisiert, ja dominiert wird,“ so der Papst. Alles, was dieser Logik nicht diene, werde weggeworfen.

Er spricht von der Jugend ohne Arbeit und Perspektive, von Abtreibung von Kindern und der „versteckten Euthanasie“ der alten Menschen. „Bitte lasst uns damit aufhören!“ Das sei nicht unumkehrbar, zeigt er sich überzeugt, der Aufbau einer gerechten Gesellschaft und Wirtschaft, am Gemeinwohl orientiert, sei möglich.

Dazu brauche es vor allem eine Ethik in der Wirtschaft, und die dort Verantwortlichen sähen die Religion hier in der Pflicht. Dazu brauche es aber auch die Einsicht, dass das Teilen und die Liebe ein Geschenk seien und nicht gemacht würden, zitierte der Papst die Enzyklika Caritas in Veritate seines Vorgängers Benedikt XVI. Die Einsicht in das eigene Geschaffensein sei ebenfalls Voraussetzung.

Daneben brauche es aber auch einen Wandel, Programme, Mechanismen und Prozesse die auf eine bessere Verteilung der Güter, das Schaffen von Arbeit und die vollständige Integration derer, die Ausgeschlossen sind, hin orientiert sind“.

Angesprochen auf die Worte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Quadragesimo Anno, der von einem „internationalen Imperialismus des Geldes“ gesprochen hatte, sagte Papst Franziskus, dass Pius XI. nicht übertrieben habe, manche hätten sich erst jetzt bewahrheitet.

Eine weitere Enzyklika, Populorum Progressio von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1967, sprach davon, dass das Privateigentum kein absolutes Recht sei, sondern dem Gemeinwohl unterworfen. „Das sind nicht nur Aussagen, die immer noch wahr sind, sondern je mehr Zeit vergeht, desto zutreffender werden sie durch die Erfahrung erwiesen,“ kommentiert Papst Franziskus.

Aus der Formulierung, die Armen seien das „Fleisch Christi“, wurde gegen den Papst der Vorwurf abgeleitet, er sei „Pauperist“, ein Anhänger der These, alle sollten arm sein. Dem Begegnet der Papst mit dem Verweis, dass Pauperismus eine „Karikatur des Evangeliums und der Armut selbst“ sei. Jesus habe vorgegeben, wonach wir gerichtet würden (Mt 25): was wir dem Armen und Leidenden tun würden, das täten wir für Jesus selbst. Das sei das Evangelium, es verdamme die Reichen nicht, sondern den Götzendienst am Reichtum, der den Schrei des Armen nicht hören lasse.

„Jesus hat gesagt, dass wir bevor wir unser Opfer zum Altar bringen den Frieden mit unserem Bruder machen müssen, um im Frieden mit ihm zu sein. In Analogie dazu können wir sagen, dass das auch dafür gilt, in Frieden mit den armen Brüdern zu leben.“

Noch einmal geht der Papst zum Schluss des Interviews auf die lange Tradition der kirchlichen Lehre ein: Papst Johannes XXIII. habe gesagt, dass die Kirche eine Kirche für alle, vor allem aber für die Armen sein wolle. Daran anschließend habe sich die präferentielle Option für die Armen entwickelt. Man könne aber nicht sagen, dass das etwas Neues sei, all das habe seinen Ursprung im Evangelium und findet sich auch in den Dokumenten der ersten Jahrhunderte des Christentums.

„Wenn ich einige Predigten der Kirchenväter aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert wiederholen würde, wie die Armen zu behandeln seien, wann würde man sagen, dass meine Predigt eine marxistische Predigt sei.“ Es sei die Lehre von Ambrosius bis zu Paul VI., dass Eigentum kein unbedingtes Recht sei, niemand habe das Recht etwas zurück zu halten, was über Bedürfnisbefriedigung hinaus gehe, wenn andere bedürftig seien. Diese Option für die Armen sei keine „Erfindung des Kommunismus“ und man dürfe sie auch nicht ideologisieren, wie das in der Geschichte immer wieder geschehen sei. Um die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ zu überwinden, wolle die Kirche ohne zu politisieren „nur von den Worten Jesu bewegt ihren Beitrag leisten für den Aufbau einer Welt, wo man sich gegenseitig unterstützt und umeinander sorgt.“

(rv 11.01.2015 ord)








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