2014-11-03 14:55:27

Legionäre Christi: „Flexibilität und Gestaltungsfreiraum“


RealAudioMP3 Die „Legionäre Christi“ (LC) haben sich eine neue Ordensregel gegeben. Die Konstitutionen wurden am vergangenen Samstag veröffentlicht und sind bereits in Kraft getreten. Vorangegangen war ein tiefgreifender Erneuerungsprozess der Ordensgemeinschaft; er war nötig geworden durch den Lebenswandel des Ordensgründers Pater Marcial Maciel, dessen Verfehlungen – darunter sexueller Missbrauch von Seminaristen sowie mehrere leibliche Vaterschaften – nach seinem Tod 2008 ans Licht gekommen waren. Mit den neuen Konstitutionen ist der Reformprozess der „Legionäre Christi“ nun einen guten Schritt vorangekommen. Gudrun Sailer sprach mit Pater Andreas Schöggl LC, dem Ordensprovinzial der Legionäre für Mittel- und Westeuropa, und wollte zunächst von ihm wissen, worauf die neue Ordensregel zielt.

„Eine Ordensgemeinschaft und eine Berufung zum Ordensleben sind immer eine Initiative Gottes. Er lädt ein, nach Ganzhingabe und Heiligkeit zu streben, und er möchte, dass diese Ordensgemeinschaft in der Kirche und in der Welt einen bestimmten Dienst tut. Und darum hat eine Ordensregel die Funktion einer Landkarte. Sie zeigt dieses Ziel ganz klar: Bei uns ist es der Dienst an der Glaubensvertiefung und an der Formung und Begleitung engagierter Chrisen, die Jesus Christus heute als Apostel aussenden möchte. Und dann ist die Ordensregel eine Wegbeschreibung für unser eigenes Leben und bietet Hilfsmittel, wie wir an dieses Ziel gelangen können.“

Die neuen Konstitutionen sollen unter anderem, wie die Legionäre mitteilen, den Ordensangehörigen „mehr Teilhabe“ erlauben. Was heißt das konkret?

„Teilhabe heißt, dass wir die Verantwortung gemeinsam tragen wollen. Wir sind eine Weggemeinschaft von Ordensleuten, in die sich alle einbringen können, und nicht eine Gemeinschaft, wo es einen Befehlsgeber gibt, und die anderen führen nur aus. Konkret heißt es jetzt z.B., wenn die Ernennung eines Gemeinschaftsoberen ansteht oder im Apostolat eine wichtige Entscheidung getroffen werden muss, dann können sich alle Betroffenen einbringen. Alle können Mitsprache haben, und wir suchen nach einer gemeinsamen Lösung. Dieses Vorgehen wurde auch in den vergangenen Jahren bei der Revision der Konstitutionen selber schon intensiv eingeübt, und sie sind schon eine erste Frucht dieser verstärkten Weise, Lösungen gemeinsam zu suchen.“

Das heißt im Umkehrschluss, dass es das vor dem Erneuerungsprozess der Legionäre nicht gegeben hat.

„Das gab es nicht in dieser intensiven Form. Es wurde oft nur unter den Oberen herumgefragt vor einer Entscheidung, oder manchmal kam auch einfach eine Anweisung, und dann war nur noch die Umsetzung den einzelnen Ordensmitgliedern überlassen, aber nicht in einer größeren gestalterischen Freiheit, wie wir sie jetzt haben.“

„Verarbeitungsprozess schon weit fortgeschritten“

Die Figur des Gründers war in der Kongregation zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus außerordentlich präsent. Dann kam es zu den bewussten Ereignissen, die den großen Reinigungs-und Abschottungsprozess nötig machten. Wie gehen Legionäre Christi und Angehörige von „Regnum Christi“ heute mit der Figur des Gründers um?

„Unser Gründer und sein leider erschreckendes Verhalten bleiben für uns sicher immer ein mahnendes Zeichen. Es ist eine permanente Aufforderung, in äußerer und vor allem in innerer Übereinstimmung mit den Idealen des Evangeliums zu leben. Andererseits merke ich in vielen Gesprächen, dass der Verarbeitungsprozess in diesen Jahren schon weit fortgeschritten ist. Die Gedanken meiner Mitbrüder und auch die Gespräche miteinander kreisen heute sicher nicht mehr ständig um dieses Thema. Es ist in keiner Weise tabu, aber es ist einfach nicht mehr so wichtig. So haben wir den Blick auch wieder freier für Jesus Christus, das Evangelium, für den reichen Schatz des Ordenslebens in der Kirche, und können uns da entfalten, ohne auf eine Figur fixiert zu sein."

Ist in den neuen Konstitutionen auch an irgendeiner Stelle vom Gründer die Rede?

„Nein, es ist ein allgemeiner Gesetzestext. Allerdings wird in der Einführung darauf hingewiesen, wie diese Textfassung entstanden ist und dass sie mit dem Erneuerungsprozess und damit auch mit der Gründerproblematik zu tun hat.“

Die neuen Konstitutionen liegen „stärker auf einer Linie mit dem Kirchenrecht“. Welche Punkte wurden da nachgebessert?

„Zunächst war natürlich auch die frühere Fassung unserer Konstitutionen vom Heiligen Stuhl approbiert. Aber sie hatte einige Schwächen. Zunächst schreibt das Kirchenrecht vor, dass die Konstitutionen einer Ordensgemeinschaft ein Grundgesetz sein sollen. Sie sollen eine klare Definition des Charismas enthalten und die nötigen Grundnormen, um dieses zu bewahren und zu fördern - und nicht viel mehr. Da mussten wir nachbessern und vor allem kräftig streichen! Früher enthielten unsere Konstitutionen zu viele detaillierte Verhaltensnormen, eine komplexe interne Organisation und auch umfangreiche geistliche Empfehlungen und Ermahnung. Es war ein bisschen so, als würde man in einer Landesverordnung plötzlich Vorschriften aus der Straßenverkehrsordnung finden. Und statt zu größerer Klarheit zu führen, sorgt das dann für Verwirrung, und man kann das Wichtige und das Unwichtige nicht mehr klar auseinanderhalten."

Welche Punkte fielen ganz aus den Konstitutionen heraus? Was machen also ganz konkret Legionäre Christi heute nicht mehr, was sie zu Zeiten des Gründers machen sollten, oder umgekehrt?

„Wir schauen heute viel mehr auf das Wesentliche, auf Jesus Christus, die Verkündigung des Evangeliums, die persönliche Begleitung der Menschen auf ihrem Weg mit Gott, und sind dadurch auch flexibler geworden, bereit, auf die Erfordernisse der Mitglieder der Gemeinschaften und der pastoralen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern einzugehen. Früher waren in den Konstitutionen viele Details enthalten, die dann in allen Gemeinschaften auf der ganzen Welt so gemacht werden mussten. Wenn ich heute unsere Gemeinschaft in Europa besuche, sehe ich, dass jede schon eine eigene Prägung bekommen hat. Wir gehören zusammen, wir teilen die gemeinsamen Ideale, aber e sist ein großer Unterschied, ob eine Gemeinschaft wie hier in Paris in einer kleinen Pfarrgemeinde lebt oder ob es sich um ein Ausbildungshaus in Bayern handelt. Das kann man nicht alles auf gleich trimmen. Darum sind die neuen Konstitutionen auf das Wesentliche beschränkt und lassen für viele andere Dinge Flexibilität und Gestaltungsfreiraum.“

Wie geht es der Ordensgemeinschaft heute? Die Legionäre hatten vor ihrer Krise eine Vielzahl von Berufungen, wie steht es damit heute?

„Ich bin froh, dass wir aus dem Erneuerungsprozess – so würde ich insgesamt sagen - gestärkt hervorgegangen sind. Vor allem haben wir den Rückhalt der Kirche erfahren, ihre Begleitung und auch die Bestätigung, dass wir in der Kirche eine Aufgabe haben, die wir ausüben können und sollen. So sehe ich auch bei unseren Mitgliedern, dass sie mit Eifer bei der Sache sind, sich wirklich bemühen, Jesus Christus zu verkünden, und das zieht Gott sei Dank weiterhin junge Menschen an. Wir haben ein Noviziat in Bayern, und auch in diesem Jahr sind wieder junge Menschen eingetreten, die gesagt haben, ich will auf diesem Weg Gott mein Leben schenken und in der Kirche für ihn wirken. Die Zahlen sind weltweit etwas zurückgegangen, aber auch in diesem Jahr waren es insgesamt noch über 100, die in unsere Noviziate eingetreten sind. Kurz vor Weihnachten wird es auch wieder eine Weihe von 30, 40 Neupriestern aus der ganzen Welt geben. Das heißt, der Strom der Berufungen ist nicht abgerissen, und wir können weiter junge Menschen überzeugt dazu einladen, auf diese Weise Gott zu dienen und Jesus nachzufolgen.“

(rv 03.11.2013 gs)








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