Auch wenn das Islamgesetz
in seiner derzeit vorliegenden Fassung eine „Baustelle“ ist, so hofft die Islamische
Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) doch auf ein Einlenken der Regierung und
eine Überarbeitung des Gesetzes. Das hat die Sprecherin der IGGiÖ, Carla Amina Baghajati,
gegenüber Kathpress betont. Ansonsten riskiere Österreich den Verlust jener „Vorreiterrolle“,
den es angesichts des weltweit beachteten alten Islamgesetzes von 1912 bis heute inne
hat, so Baghajati.
Im vorliegenden Gesetz vermisse sich ganz allgemein den
„Geist des Gesetzes von 1912, das so eindeutig den Anerkennungsgedanken transportiert“.
Zugleich bestehe die Gefahr, „dass Menschen, die das in 20 Jahren anschauen, gar kein
Datum lesen müssen, sondern sofort einordnen: Na klar, das war dieser entsetzliche
Herbst mit fürchterlichen Schlagzeilen über Terror in Irak und in Syrien - und das
ist wohl abgefärbt“. Auch wenn sie angesichts dieser Meldungen die Sorgen in der österreichischen
Bevölkerung verstehe, so poche man doch darauf, dass ein juristischer Text über solchen
zeitgeschichtlichen Entwicklungen stehen müsse.
Die Stimmung an der muslimischen
Basis bezeichnet Baghajati angesichts der gegenwärtigen Debatte als „aufgeheizt“.
Die Muslime fühlten sich vom Gesetzgeber „ungerecht behandelt“. Dies betreffe vor
allem jenen Passus, der den Vorrang des weltlichen vor dem religiösen Recht unterstreiche:
„Das ist aber für uns eine Selbstverständlichkeit. Das bräuchte gar nicht unterstrichen
werden, denn das leben wir: Wir stehen auf dem Boden dieses Rechtsstaates und erkennen
ihn an.“
Den Gleichheitsgrundsatz sehe man seitens der IGGiÖ etwa im Blick
auf die Frage der Auslandsfinanzierung missachtet. Man könne nicht per Gesetz von
einer Religionsgesellschaft etwas verlangen, was bei anderen Religionsgesellschaften
anders vorgesehen sei, so Baghajati unter Verweis etwa auf die Orthodoxie, die ebenfalls
auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen sei. „Das ist aber nie ein
Thema gewesen“. Außerdem müsse eine Finanzierung aus dem Ausland nicht automatisch
bedeuten, dass auch ein Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Geldgeber bestehe.
Probleme
sieht man seitens der IGGiÖ auch im Blick auf die Errichtung eines islamisch-theologischen
Lehrstuhls, wie ihn das Gesetz vorsieht. Die Tatsache, dass die Aleviten in das Islamgesetz
aufgenommen wurden, berge etwa bei der konkreten Berufung eines Lehrstuhlinhabers
großes Konfliktpotenzial, verwies Baghajati auf die große innere Pluralität des Islam,
der sich aus insgesamt sieben verschiedenen sunnitischen und schiitischen Rechtsschulen
sowie den Aleviten und anderen Bekenntnisgemeinschaften zusammensetze. Um Konflikte
gerade im Blick auf die Aleviten zu vermeiden, empfiehlt die IGGiÖ ein eigenes Alevitengesetz.
Insgesamt
sei sie jedoch zuversichtlich, so Baghajati, dass man eine Lösung finden werde. Es
gebe „viele positive Erfahrungen im Dialog“, so die IGGiÖ-Sprecherin, „und es sollte
ja doch ein gemeinsames Interesse darin bestehen, dass Österreich auch weiterhin als
Modellland gelten darf.“