Synodenthema Nummer 1: Wiederverheiratete Geschiedene
Das Thema der wiederverheirateten
Geschiedenen ist dasjenige, das bei der Bischofssynode zur Familie am häufigsten in
der Aula zur Sprache kommt. Das sagt unser Synodenbeobachter Pater Bernd Hagenkord
in einem Gespräch zur Zwischenbilanz.
„Es sind sicher die wiederverheirateten
Geschiedenen und der Kommunionempfang [die am häufigsten zur Sprache kommen]. Ich
führe eine kleine private Strichliste, über 40 Mal ist das genannt worden, teilweise
nur am Rande, teilweise als Zentrum der Wortmeldung. Und es ist kein europäisches
Thema, es kommt auch aus Afrika und Asien. Thema sind sicher die Ehe-Annullierungen.
Das Verfahren passt vielen nicht, das sei zu kompliziert, zu langwierig, so unpastoral
sozusagen. Ein ganz uneuropäisches Thema ist Polygamie. Das wird sehr heiß debattiert,
wie man damit umgeht. Das sind die konkreten Themen, die da besprochen werden. Ansonsten
natürlich: Was verstehen wir heute unter Ehe? Was ist das, Familie? Was ist das Sakrament
der Ehe? Solche Dinge werden auch besprochen.“
Gibt es auch Themen, die
Sie überraschen?
„Ich höre zu, wenn es um Polygamie geht. Das Thema ist
ähnliche wie wiederverheiratete Geschiedene nicht nur ein pastorales Problem, sondern
dient ja auch dazu, das Thema Familie und Ehe überhaupt zu debattieren. Ich nenne
das ein „Bruch-Thema“. So etwas kaputt ist und nicht funktioniert. Was manchen wir
denn mit einem Mann, der drei Frauen hat und katholisch werden will? Verweigern wir
ihm das? Oder muss er dann zwei Frauen entlassen, die dann ins Nichts fallen – das
kann es ja wohl auch nicht sein? Da wird darüber debattiert, wie verstehen wir das
eigentlich? Was bedeutet für uns die moralische Folge unserer Lehre? Wie flexibel
können wir sein oder wie strikt müssen wir sein? Und ich finde das spannend, dass
das nicht apodiktisch debattiert wird, so und so hat das zu sein, sondern am Menschen,
an seinen Geschichten. Das hat mich sehr fasziniert.“
Werden wirkliche
Positionen vorgestellt, oder Vorschläge über zukünftige Positionen der Kirche?
„Es
gibt alles Mögliche. Es gibt Leute, die nur aus der Erfahrung berichten. Es gibt theologische
Positionen. Es gibt rein theologische Wortmeldungen, die sehr klar sagen, was katholische
Kirche lehrt und woran man sich auszurichten hat, und das kommt nicht nur aus Rom,
sondern aus der Praxis vor Ort – das ist so nicht aufteilbar. Interessant ist, dass
die ganze Debatte sehr offen bleibt. Ich sehe keine Parteien. All die Kontroversen
sehe ich nicht, die im Vorfeld eine Rolle gespielt haben. Natürlich wird kontrovers
debattiert, da gibt es widersprüchliche Meinungen. Aber die gleichen Leute gehen danach
gemeinsam die Treppe runter und reden weiter. Das ist eine sehr offene, kollegiale
Atmosphäre.“
Es ist also eine echte Debatte und nicht einfach ein Das-Wort-Ergreifen
und etwas sagen, das man hier immer schon anbringen wollte?
„Das schon,
aber es gab jeden Abend eine Stunde offene Debatte, da gab es keine Rednerliste…“
…und
das hat funktioniert diesmal?
„Das hat funktioniert diesmal. Es gab sogar
die Wortmeldung, es mögen sich doch nicht immer die gleichen melden, weil dann eben
klar ist, es gibt Leute, die haben mehr dazu zu sagen haben als andere, und andere
sind froh, wenn sie nur ihren Beitrag liefern können. Es hat eine offene Debatte stattgefunden,
aufeinander eingehend, und natürlich in der wichtigsten aller Debatten – der Kaffeepause.“
Papst Franziskus – ergreift er auch das Wort oder hört er nur zu?
„Der
Papst hört nur zu. Am Anfang beginnt es mit einer Gebetszeit und auch am Ende steht
ein Gebet, da ist er der Vorbeter, der das Gebet führt. Es ist ja eine geistliche
Sache, keine Parlamentsdebatte. Aber während der einzelnen Beiträge schweigt der Papst
nicht nur, sondern hört sehr aufmerksam zu und gibt nicht zu erkennen, ob er das gut
findet oder schlecht findet, denn das wäre ja auch gefährlich, wenn er das gleich
prägen würde. Er sitzt da und hört sich das an, macht sich Notizen, bedankt sich immer
am Schluss und wünscht noch einen guten Appetit oder einen schönen Abend, bis morgen
– wie man ihn so kennt, recht locker, aber auch aufmerksam. Es ist ja anstrengend,
da zuzuhören, und er ist da voll dabei.“
Halbzeit ist jetzt – was kommt
in der zweiten Woche?
„Zunächst kommt die Relatio, also der dafür zuständige
Kardinal Erdö von Budapest fasst alles zusammen, was in den vergangenen Tagen hier
gesagt wurde, und das ist dann die Grundlage für die Kleingruppen. Die Kardinäle und
Bischöfe, und die Auditoren gehen in Kleingruppen, die nach Sprachen organisiert sind.
Da entschieden sie, über welche Themen sie reden wollen und haben dann vier Tage Zeit
zu debattieren, was immer sie zu debattieren haben. Das geht dann wieder zurück an
Erdö, und er macht wieder eine Zusammenfassung daraus. Schritt für Schritt wird die
Dynamik der Debatte aufgefangen, auch in Texten aufgefangen, und am Schluss soll dann
irgendeine Form von Dokument stehen, das wieder an die Kirche gegeben wird. Das ist
eine Vorbereitungssynode für die nächste Synode. Wie das aussehen wird, ist noch nicht
entschieden, ob das schon das Vorbereitungsdokument ist, ob da systematisch noch einmal
die Kirche vor Ort einbezogen wird, ob es vielleicht sogar noch eine zweite Fragebogenaktion
gibt – alle möglichen Dinge werden besprochen und angeregt, wir werden sehen, was
dann dabei herauskommt.“
Sie haben schon andere Synoden im Vatikan erlebt,
was unterscheidet diese hier von den anderen?
„Es ist meine vierte Synode.
Was mich am meisten überrascht ist, dass die alle begreifen, dass sie kein Dokument
brauchen am Schluss. Sie brauchen keinen Kompromiss und können offen reden, und wenn
die Frage offen bleibt, das sagte ein Synodenteilnehmer, dann ist das schon der erste
große Erfolg der Synode. Sie reden nicht nach dem Motto, ich muss jetzt hier so sprechen,
dass ich in eineinhalb Wochen einen Kompromiss abstimmen kann, sondern wir können
alles auf den Tisch legen, was auf den Tisch gehört. Das ist, wenn ich das so ausdrücken
darf, die Gnade dieser Synode, die dann darin mündet, dass man ein ganzes Jahr lang
weiter debattieren wird.“