Der frühere Bischof
von Hongkong, Kardinal Zen Ze-kiun, hofft, dass Peking die Proteste in Hongkong nicht
mit Gewalt niederschlagen lässt. Er schließe sich regelmäßig den Demonstranten in
der Hongkonger Innenstadt an, sagte der einzige Kardinal auf dem chinesischen Festland
in einem Interview. „So etwas wie jetzt in Hongkong hat es noch nie zuvor gegeben“,
so Zen: „Ich kann nur darum beten, dass das nicht mit einem neuen Tiananmen endet.“
Auf dem Tiananmen-Platz in Peking hatten chinesische Panzer 1989 der bislang letzten
größeren Studentenrevolte ein gewaltsames Ende bereitet.
Der 82-jährige Kardinal
nennt die heutige Lage „in vielerlei Hinsicht mit der damaligen vergleichbar“. Es
erfülle ihn mit großer Sorge, dass es noch nicht zu einem Dialog zwischen Demonstranten
und Regierungsvertretern gekommen sei, sondern die Proteste derzeit in ein Kräftemessen
mündeten. Zwar seien die Proteste noch friedlich, doch könnten Aufrührer die Demonstranten
anstacheln und dadurch die ganze Bewegung in Misskredit bringen. Zen hält die Lage
für sehr gefährlich: Die Regierung habe offenbar den Ernst der Lage und die Wut der
Einwohner von Hongkong noch nicht ganz begriffen. Einziger Ausweg aus der derzeitigen
Situation ist nach Einschätzung des Kardinals ein Rücktritt des Exekutivchefs von
Hongkong, Leung Chun-ying. Leung lehnt einen Rücktritt jedoch ab.
Kardinal
Zen hat sich in den letzten Tagen mehrfach an die Demonstranten gewandt. In seinen
Ansprachen ging es um die Soziallehre der Kirche und um das Recht auf friedlichen
Widerstand. Am letzten Sonntag hat er mitten in der von Demonstranten blockierten
Zone des Stadtzentrums eine Messe gefeiert. „Wir rechneten eigentlich damit, verhaftet
zu werden, und haben es uns fast gewünscht, denn das hätte die Menschen für unsere
Sache hier und woanders in der Welt sensibilisiert“, so der Kardinal wörtlich.
(apic
05.10.2014 sk) Unser Foto zeigt Kardinal Zen (2. von rechts) während einer
Demonstration für mehr Demokratie in Hongkong im vergangenen Juni.