Den syrischen Flüchtlingen
im Libanon droht ein katastrophaler Winter, wenn nicht rasch stàrkere Hilfsmaßnahmen
anlaufen. Das hat der Salzburger Caritas-Experte Stefan Maier im „Kathpress“-Gespräch
betont. Bis zu zwei Millionen Syrer haben im Libanon Zuflucht gesucht. Ein Ende des
Flüchtlingsstroms sei nicht abzusehen. Zwischen 2.000 und 2.500 Flüchtlinge würden
täglich die libanesische Grenze überschreiten, so Maier.
Soziale Explosion Der
Libanon stehe knapp vor einer sozialen Explosion. Und dazu gingen auch noch die internationalen
Hilfsgelder zurück. So habe das UNO-Hilfswerk UNHCR bereits angekündigt, im Oktober
die Lebensmittelrationen zu kürzen; nach derzeitigen Stand könne dann ab Dezember
überhaupt keine Hilfe mehr geleistet werden. Die Wirtschaftsleistung des Libanon sei
deutlich zurückgegangen, die Inflation steige, ebenso die Armutsrate, Wohnungsmieten
hätten sich um etwa 400 Prozent erhöht. Die Infrastruktur des Landes sei jetzt völlig
am Ende. Es gebe weder genügend Wasser noch Strom oder eine ausreichende Müllentsorgung;
auch nicht genug medizinische Versorgung oder Schulen für die vielen Flüchtlingskinder.
Zudem habe die Krise auch viele Libanesen bereits in die Verelendung geführt. Der
Arbeitsmarkt sei zusammengebrochen, da die verzweifelten Syrer Arbeit für jeden auch
noch so geringen Lohn annehmen würden. Kein Land könne eine solche Situation auf Dauer
aushalten, so Maier.
1.200 Zeltlager Im ganzen Land gibt es
rund 1.200 informelle Zeltlager. Wer von den Flüchtlingen nicht in einem schäbigen
Zelt lebt, hat in einem Abbruchhaus, einer Garage oder einem Keller Zuflucht gefunden.
50 Prozent aller Flüchtlinge sind Kinder, nur wenige können die Schule besuchen. Die
libanesische Regierung habe angekündigt, dass es künftig nur mehr Platz für 30.000
syrische Schulkinder geben wird. Damit müsste eine ganze Generation ohne Schulbesuch
und damit ohne Lebensperspektiven aufwachsen, warnte Maier.
Die Hälfte aller
Flüchtlinge habe auch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, so der Caritas-Experte.
Viele Flüchtlinge seien traumatisiert, zum einen wegen der Vorkommnisse in ihrem Herkunftsland,
zum anderen aufgrund der nunmehrigen desaströsen Lebensbedingungen im Libanon.
Gewaltproblem Neben
den sozialen Problemen drohe der Libanon auch durch Gewalt auseinanderzubrechen. Der
Syrienkonflikt könne jederzeit direkt auf den Libanon übergreifen. Die Spannungen
zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen nehmen zu, warnte Maier. So habe es
in der nordlibanesischen Stadt Tripoli bereits gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen
Alawiten und Sunniten gegeben. Dschihadisten aus Syrien würden auch bereits ein kleines
Gebiet im Norden des Libanon besetzen und sich mit der libanesischen Armee heftige
Gefechte liefern. Gefangene libanesische Soldaten würden ebenso wie westliche Geiseln
enthauptet, berichtete Maier. Der Westen nehme das aber kaum wahr.
Fünf
Millionen Euro für Flüchtlinge Die Caritas Österreich hat seit Ausbruch
des Konflikts 2011 fünf Millionen Euro für Syrien-Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien
zur Verfügung gestellt. Damit konnten bisher rund 70.000 Menschen erreicht werden,
viele davon Kinder. Geholfen werde mit Lebensmitteln, Hygieneartikel, Decken, Matratzen,
Winterkleidung, medizinischer Hilfe sowie der Reparatur von Notunterkünften.
Maier
äußerte sich im „Kathpress“-Gespräch am Rande der Jahrestagung der „Initiative Christlicher
Orient“ (ICO), die sich auf ihrer derzeit in Salzburg laufenden Jahrestagung u.a.
mit den Auswirkungen der Syrien-Krise auf den Libanon beschäftigt.