Deutliche Kritik an
der westlichen Nahost-Politik hat der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Yousef
III. Younan geübt. In Syrien und im Irak würden Christen bedroht, schikaniert, vertrieben
und getötet, während dies den Westen weitgehend kalt lasse, so der Patriarch im Rahmen
eines Vortrags am Montagabend bei der Jahrestagung der Initiative Christlicher Orient
(ICO) in Salzburg. Aufgrund politischer und vor allem ökonomischer Interessen würden
die westlichen Staaten ihre eigenen Werte von Religionsfreiheit und Demokratie schlicht
verraten. Öl sei wichtiger als Menschenleben. Das sei eine Tragödie, so der Patriarch.
„Die
meisten meiner Mitbürger sagen mir, dass die UNO und allgemein der Westen nichts für
uns unternehmen. Meine Mitchristen bemängeln, dass es aus dem Westen keine konkreten
Taten gibt, die uns weiterhelfen. Wir hören zwar schöne Worte über Demokratie und
Freiheiten, aber wir sehen keine konkreten Schritte.“
Im Gespräch mit „Kathpress“
am Rande der Tagung berichtete der Patriarch von seinem jüngsten Besuch bei den christlichen
Flüchtlingen im kurdischen Nordirak. Das Leid der Menschen sei unbeschreiblich, ihre
Angst groß. Die Menschen hätten vielfach die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder in
ihre angestammte Heimat zurückzukehren.
„Es ist nicht nur für die Christen
im Nordirak ein Problem, es ist eine Angelegenheit, die alle Christen auf der Welt
betrifft. Wir dürfen die Gläubigen im Irak, in Syrien oder Libanon nicht im Stich
lassen. Dasselbe gilt für die Christen in Jordanien und Ägypten. Wir sollten uns alle
für diese Christen einsetzen, weil es eine Tatsache ist, dass es auch im 21. Jahrhundert
in muslimisch geprägten Ländern keine Trennung von Staat und Religion gibt - und in
solchen Kontexten haben es die Christen besonders schwer.“
Der Patriarch
bekräftigte einmal mehr, dass das militärische Vorgehen der westlichen Allianz gegen
die IS grundsätzlich legitim sei. Jene radikalen Kräfte, die keine Achtung vor Menschenleben
haben, müssten eliminiert werden. Mit Luftschlägen allein werde man die Terroristengruppe
freilich nicht in die Knie zwingen können. Nachsatz: „Das ist kein Krieg gegen den
Islam, sondern gegen den Terrorismus. Wir sind nicht gegen den Islam, wir sind gegen
jene, die ihn für ihre politischen Zwecke missbrauchen.“
Eine Lösung könne
es für den Orient letztlich nur geben, wenn es endlich zu einer Trennung von Religion
und Politik kommt. Das sei freilich für den Islam derzeit noch keine Option.
Das
Oberhaupt der syrisch-katholischen Kirche gehörte auch jener Patriarchendelegation
an, die am 11. September von US-Präsident Barack Obama empfangen worden ist. Der US-Präsident
habe sich 35 Minuten die Sorgen der Kirchenführer angehört, berichtete der Patriarch.
Sei auch die Antwort des Präsidenten freilich „höchstens als diplomatisch“ zu bezeichnen,
werte er allein schon das Zustandekommen dieses Treffens als „historisch“. Die Patriarchen
hätten jedenfalls auch dem US-Präsidenten klarzumachen versucht, dass sich die Christen
im Orient von ihren westlichen Brüdern verraten fühlten.
Der Delegation gehörten
neben dem syrisch-katholischen Patriarchen u.a. noch der maronitische Patriarch Kardinal
Bechara-Boutros Rai, der melkitische Patriarch von Antiochien, Gregoire III. Laham,
der syrisch-orthodoxe Patriarch Ignatius Ephrem II. und der chaldäische Patriarch
Louis Raphael I. Sako aus Bagdad an.