D/Nigeria: Boko Haram unerbittlich auf dem Vormarsch
Mindestens 650.000
Menschen sind in Nigeria seit Beginn diesen Jahres vor dem Terror des islamistischen
Sekte Boko Haram geflohen. Das schätzen die Vereinten Nationen. Ein Ausmaß, das mit
dem Elend im Irak zahlenmäßig durchaus mithalten kann. Auf Hilfe der internationalen
Gemeinschaft in Nigeria wagt die katholische Kirche des afrikanischen Krisenstaates
kaum zu hoffen. Sie würde sich schon damit zufrieden geben, wenn man das immer undurchschaubarer
werdende Netz von Boko Haram hier und da durchtrennen könnte. Erzbischof Ignatius
Kaigama von Jos sagte dazu im Interview mit Radio Vatikan:
„Eine große Hilfe,
die die internationale Gemeinschaft meiner Ansicht nach geben könnte, wäre Boko Haram
aufzuhalten, indem man den Weg der Waffen unterbricht: Ohne Zweifel wird die Gruppe
mit diesen aus dem Ausland versorgt. Und wie es ist möglich, dass Boko Haram ausgefeiltere
Waffen hat als das reguläre nigerianische Heer? Es müssen Personen oder Länder dahinter
stecken, die der Gruppe von außen helfen, diese Gewalt fortzusetzen. Die internationale
Gemeinschaft kann das stoppen, indem man sich des Wissens bedient, das die Sicherheitsdienste
über Boko Haram und über den Terrorismus im Irak sammeln. Wo ein Wille ist, ist ein
Weg – dann könnte man Boko Haram aufhalten.“
Der nigerianischen Regierung
und den Sicherheitskräften des Landes ist es bisher nicht gelungen, den Vormarsch
von Boko Haram in Nigeria zu stoppen. Auch von den 219 entführten Schulmädchen aus
Chibok fehle weiter jedes Lebenszeichen, beklagte an diesem Freitag die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV), die der Landesführung Versagen im Kampf gegen die Extremisten
vorwarf. Die Menschenrechtsorganisation bestätigt eine zunehmende Verbesserung der
militärischen Ausrüstung Boko Harams, wie sie auch Erzbischof Kaigama anspricht. Das
Schicksal der entführten Mädchen sei typisch für die Lage der Zivilbevölkerung, so
GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius: „Nord-Nigeria droht ein Flächenbrand wie im Norden
des Irak.“ Wenn Nigerias Politik auf die Herausforderung Boko Haram nicht endlich
glaubwürdig antworte, könnte die Terrorgruppe „zu einer akuten Bedrohung für den Fortbestand
von Westafrika bedeutendstem Staat werden“. Erzbischof Kaigama appelliert im Interview
mit Radio Vatikan direkt an die Terroristen:
„Den so wichtigen Aufruf,
den ich an Boko Haram möchte: dass sie Mitleid mit den entführten Mädchen haben. Und
das sie mit der Grausamkeit aufhören, die sie ins Land bringen: das ist nicht menschlich.
Das ist kein Gotteswerk, sie sagen, sie tun es für den Islam, für Gott, aber das ist
nicht authentisch.“
Die Kämpfer der Sekte sind laut Angaben von Beobachtern
nicht mehr nur mit Geländewagen unterwegs, sondern setzten Schützen- und Kampfpanzer
sowie schwere Waffen ein. Die Terrorgruppe konnte laut GfbV seit Juli dieses Jahres
im Bundesstaat Borno sieben Städte einnehmen. Bis auf 70 Kilometer soll sie sich der
Millionenstadt Maiduguri genähert haben, in der Hunderttausende Flüchtlinge aus Nord-Nigeria
Zuflucht gefunden haben.