Ukraine: Von Entspannung keine Spur – Hilfegesuch an den Papst
Die so dringliche
Waffenruhe für die Ostukraine war kein Ergebnis des Treffens der Präsidenten der Ukraine
und Russlands am Dienstag im weißrussischen Minsk. Bei den ersten direkten Verhandlungen
Petro Poroschenkos und Wladimir Putins seit Monaten seien aber drei Absprachen getroffen
worden, referierte der Kremlchef im Anschluss allein vor der Presse – ohne Poroschenko:
ein Geiselaustausch, grünes Licht für einen zweiten russischen Hilfskonvoi und eine
gemeinsame Sicherung der ukrainischen Grenze. Poroschenko will derweil einen Fahrplan
für eine Waffenruhe vorlegen, teilte der ukrainische Präsident später selbst gesondert
mit.
Von einer Entspannung war im Osten der Ukraine am Tag der Begegnung nichts
zu spüren, berichtete der Großerzbischof von Kiew Sviatoslav Schevtschuk im Interview
mit Radio Vatikan:
„Die Situation wird leider immer ernster, vor allem im
Osten des Landes in der Gegend von Donetsk und Lugansk. Wir hören jeden Tag, dass
schwere Waffen und neue Soldaten ankommen, die die Grenze zwischen der Ukraine und
Russland überschreiten. Jeden Tag sterben ungefähr 50 Zivilisten. Dörfer ohne ukrainisches
Militär werden regelrecht platt gemacht. Es sterben Gläubige verschiedener religiöser
Konfessionen und Kirchen: Orthodoxe, Katholiken, Protestanten, Juden, Muslime.“
Brief
an Franziskus: Bericht über Tod, Folter, Übergriffe Die Kiewer Regierung
wirft Russland vor, die pro-russischen Separatisten mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen.
Putin weist dagegen eine Verantwortung Russlands für den bewaffneten Konflikt zurück.
Der Papst hatte am Sonntag zum Gebet für die Ukraine aufgerufen. Großerzbischof Schevtschuk
hat sich in einem Brief an Franziskus gewandt, in dem er den Papst über „den tiefen
Schmerz“ seines Volkes informierte.
„Den Schmerz vieler verletzter Zivilisten,
vieler Militärs, die gefangen genommen wurden - jeden Tag werden Dutzende von ihnen
gefoltert -, den Schmerz der Mütter, die ihre Kinder verlieren, den Schmerz der Mutter
Kirche, die zusammen mit ihren Kindern leidet.“
Es gebe zwar „keinen erklärten
Krieg“, doch auf der anderen Seite rollten Panzer in das Land, schildert das Oberhaupt
der mit Rom unierten ukrainischen Katholiken die unübersichtliche Lage. Auch über
die Übergriffe auf Vertreter und Strukturen der katholischen Kirche habe er den Papst
informiert, so der Großerzbischof mit Blick auf Vorfälle in Donetzk weiter.
„Das
kleine Kloster der Schwestern ,Mägde Mariens von der Unbefleckten Empfängnis' (S.A.M.I.)
wurde von russischen Militärs besetzt. Unser Bischof von Donetzk ist aus seinem Sitz
vertrieben worden und sein Büro wurde mit allen Dokumenten beschlagnahmt. Viele Priester
sind gezwungen worden, ihre Kirchen zu verlassen.“
Westen muss eingreifen Die
Kiewer Regierung signalisierte an diesem Mittwoch, sie erwarte vom Gipfeltreffen der
Nato am kommenden 4. September „wegweisende Entscheidungen“ und „praktische Hilfe“
für die Ukraine. Sviatoslav Schevtschuk richtet im Interview mit uns einen dringlichen
Appell an das Ausland und „alle Menschen guten Willens“, dem ukrainischen Volk zu
Hilfe zu kommen.
„Das Volk schreit zum Himmel, um Gerechtigkeit, um Frieden,
um internationale Solidarität. Die Ukraine kann dieser Aggression nur wirklich widerstehen,
wenn es durch Solidarität der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird. Ich möchte
alle Christen, alle Menschen guten Willens, die uns über Radio Vatikan zuhören, darum
bitten, um Frieden in der Ukraine zu beten und dass es keinen offenen bewaffneten
Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt. Das ist unser Appell. Wir bitten
den Herrn, die Jungfrau Maria, die Königin des Friedens, um Frieden in der Ukraine.“
Laut
Angaben der ukrainischen Führung von diesem Mittwoch gingen nach dem Spitzengespräch
Poroschenkos und Putins die Kämpfe in der Ostukraine weiter, und russische Soldaten
seien erneut in die Ostukraine eingedrungen. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter
Steinmeier, drängte an diesem Mittwoch in Berlin darauf, Kiew und Moskau mögen die
direkten Gespräche unverzüglich weiter fortführen, um eine politische Lösung des Konfliktes
zu finden.