Viele Flüchtlinge
aus dem Irak können sich gar nicht vorstellen, wieder in ihre Heimat zurück zu kehren.
Das berichtet Johanna Mitscherlich, Medienkoordinatorin für die Syrien-Hilfe von Care
International. Sie ist derzeit im Nordirak unterwegs, um eine Analyse der aktuellen
Lage zu erstellen und um vor Ort zu sehen, wie den Flüchtlingen geholfen werden kann.
In Dahuk, wo Radio Vatikan Mitscherlich für ein Interview erreicht hat, soll es laut
UN-Schätzungen ungefähr 400.000 Flüchtlinge geben.
„Die Situation der Flüchtlinge
und der Vertriebenen ist derzeit sehr dramatisch. Wir waren gestern in Erbil und sind
heute in Dohuk, in den größeren Städten im Irak. Die Familien leben unter Brücken,
in Schulen, Kirchen, sie zelten in Parks. Ihnen fehlt es im Prinzip an allem: Sie
haben nichts. Sie haben nur ihre Kleidung, mit welcher sie geflüchtet sind. Haben
nichts zu essen, nichts zu trinken, haben Familienangehörige verloren oder wissen
nicht, wo ihre Familienangehörigen sind. Das heißt, sie brauchen natürlich auch psychologische
Betreuung."
Die Menschen haben keine Hoffnung mehr zurückzukehren. Johanna
Mitscherlich erzählt, dass die meisten Flüchtlinge nicht das erste Mal flüchten mussten.
Für viele sei es bereits das zweite, dritte oder vierte Mal. Eine Rückkehr schließen
viele alleine deswegen aus.
„Ich habe gestern mit einer Flüchtlingsfamilie
aus einem Camp in der Nähe von Erbil gesprochen. Sie können sich nicht vorstellen,
wieder zurückzukehren. Ihr Haus wurde abgebrannt. Ein großer Teil ihrer Familie wurde
umgebracht. Sie können sich nicht vorstellen. Die Zeltlager sind keine dauerhafte
Lösung. Die Temperaturen erreichen am Tag bis zu 50 Grad und die Flüchtlinge werden
notversorgt. Aber es ist keine Dauerlösung."
Hoffnung und Suppe
Die
Schulen sollen mit dem Schuljahr auch im Irak wieder anfangen, aber die Gebäude sind
voll mit Flüchtlingen. Die Behörden im Irakwissen, dass sie spätestens bei Schulbeginn
die Flüchtlinge aus den Schulen in anderen Camps unterbringen müssen. Camps in dieser
Größe gibt es aber derzeit nicht. Laut Mitscherlich gibt es aber in den Camps eine
große Solidarität zumindest zwischen den Flüchtlingen:
„Es ist sicher so,
dass viele christliche Flüchtlinge von Kirchen unterstützt werden. Aber die Solidarität
ist hier sehr groß. Ich habe heute in einem Camp in Dohuk Familien getroffen, die
von Kurden unterstützt werden. Da wird geschaut, wer hat was, wer kann was geben.
Auch weil in den letzten zwei- drei Wochen so viel Hilfe nötig war, dass dies nicht
von einer einzigen Organisation hätte gestemmt werden können. Die Menschen unterstützen
sich gegenseitig. Auch syrische Flüchtlinge, die schon länger hier sind, helfen dann
bei den nächsten Ankunftswellen von Flüchtlingen und teilen beispielsweise Suppe aus
und versuchen Hoffnung zu schenken".