Kardinal Kasper: Das Fest Peter und Paul – ein ökumenischer Auftrag
„Unsere Uneinigkeit schadet der Sache des Evangeliums und ist ein Skandal vor der
Welt. So hat es vor 50 Jahren das II. Vatikanische Konzil klipp und klar gesagt. Das
Fest Peter und Paul sollte uns an unsere ökumenische Verpflichtung erinnern und uns
ermutigen, gemeinsam den Aufbruch neu zu wagen.“ Das betont Kardinal Walter Kasper
anlässlich des römischen Patronatsfestes Peter und Paul an diesem Sonntag. Das Fest
Peter und Paul enthalte „einen noch nicht eingelösten ökumenischen Auftrag“, der heute
dringender sei als je, so der Kardinal mit Blick auf den katholisch-evangelischen
Dialog in einem Beitrag für Radio Vatikan.
Wir dokumentieren hier den Beitrag
im Volltext und in einer Audioversion:
Das Fest Peter und
Paul ist das Patronatsfest der Stadt Rom. Denn Petrus und Paulus haben in Rom gewirkt,
sie haben in Rom den Märtyrertod erlitten und mit ihrem Blut den Boden Roms getränkt.
Seit frühsten Jahrhunderten werden ihre Gräber in Rom verehrt. Unter der Peterskuppel
das Grab des Apostels Petrus und in St. Paul draußen vor den alten römischen Stadtmauern
wurde in jüngster Zeit der Sarkophag des Apostels Paulus freigelegt. Die Bedeutung
der Apostel Petrus und Paulus reicht weit über Rom und über die römisch-katholische
Kirche hinaus. Sie betrifft die gesamte Christenheit. Denn alle Kirchen stehen auf
dem gemeinsamen Fundament der Apostel. Alle Kirchen müssen sich immer wieder neu an
ihm messen und auf diesem Fundament die Kirche in die Zukunft hinein aufbauen. Alle
müssen wie Petrus und Paulus lebendige, mutige, dynamische, missionarische Kirche
sein, eine Kirche im Aufbruch, wie Papst Franziskus sagt. So ist das Fest Peter
und Paul eine ökumenische Herausforderung. Beide Apostel waren bei aller Gemeinsamkeit
recht verschieden. Sie sind sogar in heftigen Streit geraten. Dann haben sie sich
als Zeichen der Versöhnung die Hand gereicht und haben auf unterschiedlichen Wegen
den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus bezeugt. Auf Paulus bezieht sich vor
allem die evangelische Christenheit. Bei ihm fand Martin Luther die Lehre von der
Rechtfertigung im Glauben, d.h. die Botschaft, dass wir nicht aufgrund unserer guten
Werke gerettet werden, sondern aufgrund der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Über
diese Lehre haben sich evangelische und katholische Christen über 400 Jahre lang gespalten.
Heute sind wir uns, Gott sei Dank, in den Grundzügen dieser Lehre einig. Besonders
Papst Franziskus hat die Barmherzigkeit Gottes in befreiender Weise ganz ins Zentrum
seiner Predigt gerückt. Für die katholische Kirche ist Petrus wichtig geworden.
Auch er lebte ganz aus der Barmherzigkeit. Er hat den Herrn verraten. Trotzdem hat
ihm der Herr noch am Abend vor seinem Tod den Auftrag gegeben, seine Brüder zu stärken.
Er hat ihm den Namen Petrus gegeben und ihn sozusagen zum Felsen gemacht. Über
die Auslegung dieser Worte haben sich die Kirchen gespalten. Die Schuld liegt auf
allen Seiten. Heute machen wir Anstrengungen, den Graben zu überwinden. Schon Papst
Johannes Paul II. hat die anderen Christen eingeladen, mit ihm in einen Dialog einzutreten,
wie das Petrusamt heute in einer Weise ausgeübt werden kann, dass es für alle akzeptabel
ist. Papst Franziskus hat diese Einladung jüngst bei seiner Begegnung mit dem Ökumenischen
Patriarchen Bartholomäus wiederholt. Einzelne, allerdings noch zaghafte Schritte wurden
bereits gemacht; aber leider sind wir noch lange nicht am Ziel, dass wir uns wie damals
Petrus und Paulus die Hand reichen, um dann auf unterschiedlichen Wegen das eine und
selbe Evangelium zu bezeugen. So enthält das Fest Peter und Paul einen noch nicht
eingelösten ökumenischen Auftrag, der heute dringender ist als je. Unsere Uneinigkeit
schadet der Sache des Evangeliums und ist ein Skandal vor der Welt. So hat es vor
50 Jahren das II. Vatikanische Konzil klipp und klar gesagt. Das Fest Peter und Paul
sollte uns an unsere ökumenische Verpflichtung erinnern und uns ermutigen, gemeinsam
den Aufbruch neu zu wagen.