Zentralafrikanische Republik: „Der Bürgerkrieg ist längst da!“
Es ist ein heikler
Balanceakt: zwischen der Normalität und einem drohenden Bürgerkrieg. Dass am letzten
Mittwoch eine Muslim-Miliz ungestört eine Kirche am Rand von Bangui überfallen konnte,
hat der Zentralafrikanischen Republik einen Schock versetzt. Mindestens 19 Menschen
kamen bei der Attacke ums Leben, ein Blick in den Abgrund für das Land, in dem seit
einem Putsch vom März 2013 immer mehr Differenzen entlang der ethnisch-religiösen
Trennlinien aufbrechen. Erzbischof Franco Coppola, der Nuntius in der Zentralafrikanischen
Republik, sagt im Interview mit Radio Vatikan:
„Noch nie hatte es bisher
so etwas wie ein solchen Angriff auf die Kirche gegeben, das hat zu einer Welle der
Empörung unter den Menschen geführt. Sie haben auf einmal begriffen, dass niemand
sie beschützt, auch nicht an einem heiligen Ort. Das hat zu Gefühlsausbrüchen, auch
zu großer Wut bei vielen geführt. Aber dann ist am Freitag die Übergangs-Präsidentin
aus dem Ausland ins Land zurückgekehrt und hat die Menschen zu mehr Selbstkontrolle
aufgerufen; sie hat eine Untersuchung versprochen und eine Entwaffnung dieser Zone
der Hauptstadt, in der bislang noch nie jemand die zirkulierenden Waffen eingesammelt
hatte, und sie hat schließlich drei Tage der Staatstrauer ausgerufen. Das hat dazu
geführt, dass die Leute ihre Ängste und ihren Schmerz wenigstens berücksichtigt fühlten,
und sofort ist die Gewalt der Proteste zurückgegangen. Jetzt warten alle: Sie wollen
sehen, ob die angekündigten Maßnahmen greifen und wirklich ins Werk gesetzt werden.“
Ob
denn die Gefahr besteht, dass die Zentralafrikanische Republik in einen Krieg, einen
Bürgerkrieg, abgleitet, fragten wir den Nuntius. Seine Antwort:
„Der Bürgerkrieg
ist längst da! Wir haben zwei Milizen, die sich untereinander bekriegen. Leider sind
die internationalen Friedenssoldaten numerisch bei weitem nicht hinreichend, um die
Sicherheit zu garantieren oder die beiden streitenden Parteien auseinander zu halten,
darum versuchen die Menschen eben, bei einer Miliz Schutz zu bekommen. Die Christen
fühlen sich dementsprechend unter dem Schutz der anti-muslimischen Milizen, und die
Muslime fühlen sich unter dem Schutz der mehrheitlich muslimischen Seleka-Milizen.
Das ist sehr gefährlich. Allerdings ist das überhaupt kein Religionskrieg im klassischen
Sinn, überhaupt kein religiöses oder theologisches Problem, es geht auch nicht um
Konversion, sondern um einen Machtkampf.“
Einen Machtkampf, der sich auf
die reichen Ressourcen des Landes richtet, so Erzbischof Coppola. Das Chaos spiele
logischerweise demjenigen in die Hände, der sich die Ressourcen sichern will. Sein
Appell an die internationale Gemeinschaft:
„Beeilt euch! Es stimmt ja, dass
der Sicherheitsrat die Entsendung von Blauhelmen beschlossen hat. Aber ihre Ankunft
ist erst für Ende September vorgesehen. Bis September gehen noch einige Monate ins
Land, und es ist nicht gesagt, dass die Dinge hier nicht noch schlimmer werden. Leider
sind die internationalen Kräfte, die sich momentan im Land aufhalten, offenbar nicht
imstande, die Lage unter Kontrolle zu bekommen, sie sind zu wenige. Sagen wir mal
so: Vielleicht haben sich einige nicht klargemacht, wie komplex das Problem hier ist,
es sind einfach mehr Soldaten nötig als bisher. Zentralafrika ist zweimal so groß
wie Italien, wie kann man sich denn da einbilden, mit 5.500 Friedenssoldaten so ein
Territorium unter Kontrolle zu bekommen? Hier liegt das Problem. Die Vereinten Nationen
haben die Entsendung von fast 12.000 Soldaten beschlossen, etwa das Doppelte also
– hoffen wir mal, dass diese Zahl genügen wird. Aber das ist erst für September vorgesehen,
und wir sind gerade mal im Juni...“