Scharfe Kritik am
vom Finanzminister vorgelegten Budgetentwurf üben führende NGOs in Österreich. Caritas-Präsident
Michael Landau nannte die hinter dem Budget zum Vorschein kommende Politik „bedrückend
und ein Ärgernis“. Es sei ein „Skandal“, dass die Bürger für eine Pleite-Bank und
eine Krise haften müssten, die sie selbst nicht verursacht haben. Das Mindeste wäre
laut Landau, dass die Politik dann ebenso auch für die Menschen am Rand der Gesellschaft
haftet. „Hier aber hat sich die Bundesregierung zu einer Gesellschaft ohne Haftung
für die Schwächsten entschlossen“, so das bittere Resümee des Caritas-Chefs.
Die
Hauptkritikpunkte Landaus betreffen die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe und humanitären
Hilfe, die fehlende Entlastung des Faktors Arbeit, mangelndes Gegensteuern gegen immer
höhere Mieten und Säumigkeit bei Pflege und Hospiz. Das vorliegende Budget sei insgesamt
„völlig inakzeptabel“, da es sich auch nicht an den erklärten Zielen des Regierungsprogramms
orientiere. „Wir rufen die Regierung auf, die selbst gesteckten Ziele auch einzuhalten“,
so der Caritas-Präsident. Als einzige Budget-Positiva würdigte der Caritas-Präsident
die - wenn auch „zaghafte“ - Familienbeihilfenerhöhung und Akzente im Kampf gegen
Arbeitslosigkeit.
Aber, so schränkte Landau gleichzeitig ein, „es fehlen die
angekündigten Strukturreformen“. Konkret nannte er eine Föderalismus-Reform, eine
Verfassungsreform, die etwa Haftungsübernahmen durch Bundesländer einschränkt und
„katastrophale Folgen“ wie das „Hypo-Desaster“ verhindert. Landaus Warnung: „Wenn
wir die strukturellen Probleme in diesem Land nicht lösen, werden wir sparen, kürzen,
streichen und nochmals reduzieren - und wir werden die budgetäre Situation dennoch
nicht in den Griff bekommen.“
Diakoniedirektor Michael Chalupka betonte bei
der gemeinsamen Pressekonferenz in Wien, dass die Regierung mit dem aktuellen Budgetplan
von den Kernaufgaben eines modernen Wohlfahrtsstaates abrücke. Der Staat müsse ein
„gutes Leben“ und Chancen für alle Menschen gleichermaßen bieten. Die aktuelle Regierung
sehe die Kernaufgaben des Staates hingegen „vor allem im Sparen und in der Bankenrettung“.
Wenn der Finanzminister alle weiteren Aufgaben als „Fleißaufgaben“ bezeichne, so sei
das ein Schlag ins Gesicht: „Alte Menschen zu pflegen ist keine Fleißaufgabe, Kinder
zu lehren und auszubilden ist keine Fleißaufgabe, und auch Menschen mit Behinderungen
zu begleiten ist keine Fleißaufgabe. All dies sind Kernaufgaben des Staates.“
Eine
Politik, die allein auf budgetäre Kürzungen setze, sei „ein alter Hut“ und keine „visionäre
Zukunftsplanung“. Das „hässliche Gesicht dieser Politik“ zeige sich in seinen Wirkungen
zwar erst in etwa fünf Jahren, dies dürfe aber nicht zu einer Verschiebung der Probleme
in die Zukunft führen, wie dies etwa bei der Frage der langfristigen Pflegefinanzierung
geschehe. Daher brauche es „mutige Investitionen und weitsichtige Politiker, die das
gute Leben als Kernaufgabe des Staates erkennen“. Konkret fordert die Diakonie gezielte
Investitionen in den Ausbau ganztägiger Schulformen und den Ausbau der schulischen
Inklusion sowie eine neue Bewertung des Finanzbedarfs von Schulen gerade in sozial
benachteiligten Regionen.
Scharfe Kritik kam auch von Rotkreuz-Präsident Gerald
Schöpfer. Die Politik befinde sich inzwischen in „Geiselhaft“ wirtschaftlicher Sparzwänge,
konkret: der Banken-Rettung. Er vermisse nicht nur Gesamtkonzepte im Blick etwa auf
die Pflege und das Hospizwesen, sondern vor allem eine „Handschlagqualität“: In den
vergangenen Jahren seien vermehrt Zusagen nicht eingehalten worden. Dies habe zu einem
„Qualitätsverlust in der Politik“ geführt, so Schöpfer.
„Braucht ein
Kind aus Afghanistan nur halb so viel zu essen?“
Es brauche gerade
im Bereich der Pflege künftig vermehrt Investitionen und ein Gesamtkonzept, mahnte
Schöpfer. So gebe es etwa bis 2025 einen Mehrbedarf an 22.500 Vollzeitkräften im Pflegebereich.
„Woher sollen diese kommen?“, so Schöpfer angesichts mangelnder Anreize und Unterstützungsangebote.
Die neu eingeführte Pflegekarenz sei zweifelsohne eine sinnvolle und erfreuliche Einzelmaßnahme,
so Schöpfer weiter, allerdings fehle hier immer noch der Rechtsanspruch.
Als
„beschämend und schockierend“ bezeichnete Schöpfer die Ankündigung der Kürzungen im
Bereich der humanitären Hilfe, konkret: der Kürzungen beim Auslandskatastrophenhilfefonds.
Wenn es bei einer Dotierung des Fonds mit fünf Millionen Euro bleibe und die zugesagte
Erhöhung der Mittel auf 20 Millionen Euro ausbleibe, so folge die Regierung einer
„zynischen und armseligen“ Sparpolitik, die der Spendenbereitschaft der Bevölkerung
diametral entgegenstehe. Humanitäre Hilfe sei kein Akt des Mitleids, sondern basiere
auf Rechten, konkret auf Menschenrechten. „Von internationaler Solidarität ist jedoch
bei diesem Budget nicht viel zu spüren.“
Mit einem einfachen Rechenbeispiel
führte SOS Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser vor Augen, dass sich eine Beibehaltung
der EZA-Mittel und ein Ausbau der Jugendförderung gesamtbudgetär nur marginal niederschlagen
würde. Schlägt nämlich die vorgesehene Neuverschuldung von 17,8 Milliarden Euro mit
2.225 Euro pro Österreicher zu Buche, so würde eine Beibehaltung des EZA-Budgets nur
rund 3 Euro ausmachen, eine gezielte Investition im Bereich der Jugend mit 11 Euro.
„Ich kann nicht glauben, dass man nicht bereit ist, diese Beträge aufzubringen“, so
Moser.
Konkret erläuterte der SOS Kinderdorf-Geschäftsführer die drängende
Problematik im Bereich der Jugendfürsorge bei den „18+“-Jugendlichen und Unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Jugendliche, die nicht bei ihren Eltern leben können,
verlieren mit 18 den Rechtsanspruch auf Kinder- und Jugendhilfe. „Die Politik lässt
sie im Stich, es muss endlich eine einheitliche Lösung für ganz Österreich geben“,
so Moser. Als beschämend bezeichnet Moser außerdem den Umstand, dass unbegleiteten
Kindern auf der Flucht derzeit in Österreich nur die halben finanziellen Mittel zuerkannt
werden. „Braucht ein Kind aus Afghanistan nur halb so viel zu essen? Nur halb so viel
Zuwendung? Es gibt kein halben Kinder!“