Vor fünfzig Jahren
putschten sich Generäle in Brasilien blutig an die Macht. Eine Diktatur begann - weniger
brutal zwar als in Argentinien oder Chile, aber ebenfalls mit Folter und Unterdrückung
von Dissidenten. Kirchenleute prangerten damals Verstöße gegen die Menschenrechte
an; vor allem der Erzbischof von Recife, Dom Helder Camara, kritisierte das Regime.
Fünfzig Jahre danach regiert mit Dilma Rousseff eine Frau das Land, die einst als
Widerstandskämpferin im Gefängnis saß.
Die Aufarbeitung der Ereignisse von
damals dauert bis heute an. So hat die Präsidentin 2012 eine Wahrheitskommission ins
Leben gerufen, berichtet Norbert Bolte vom katholischen deutschen Hilfswerk adveniat
im Gespräch mit dem domradio.
„An Fakten hat diese Kommission bisher
nicht sonderlich viel Neues hervorgebracht, aber sie arbeitet ja noch. Das Meiste
ist bekannt, bekommt aber durch die Arbeit dieser Kommission eine neue, größere Öffentlichkeit.
Neu dürfte sein, das Ausmaß zu registrieren, in dem die Landbevölkerung Brasiliens
in abgelegenen Regionen verfolgt wurde; und vor allem auch, wie die indigene Bevölkerung
in dieser Zeit Opfer der Verfolgung wurde.“
Das Interesse an der Aufarbeitung
ist vor allem bei den jüngeren Menschen Brasiliens sehr hoch. Bis heute genießen die
Täter der Militärdiktatur Straffreiheit. Bolte berichtet, dass Jugendliche Proteste
vor den Häusern der Täter veranstalten oder Gedenkveranstaltungen für Ermordete durchführen.
Menschenrechte wurden allerdings nicht nur während der Diktatur verletzt: Auch heute
gebe es noch große Probleme.
„Die Situation der Menschenrechte in Brasilien
ist weiterhin sehr problematisch. Eine sehr unrühmliche Rolle spielt vor allem die
Militärpolizei, die sogenannte „policia militar“, die gerade in der Zeit der Militärdiktatur
stark aufgestellt war. Ihr allein werden im Bundesstaat Rio jedes Jahr etwa 1.000
Todesfälle zugeschrieben.“
In Deutschland gibt es die Plattform „Nunca
mais“: Nie wieder. Diese möchte einen Beitrag dazu leisten, die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Man wolle zeigen, dass es nicht nur in Brasilien Widerstand gegen die Militärdiktatur
gab. Vor allem im Raum Köln und im Ruhrgebiet hätten viele Menschen exilierte Dissidenten
aus Brasilien aufgenommen. Heute werde Aktionstage angeboten, die auch die aktuellen
Ereignisse in Brasilien in den Blick nehmen.
„Wir möchten mit ein paar
Veranstaltungen vor allem in Berlin, im Köln-Bonner Raum und in Frankfurt zeigen,
dass Verbrechen wie damals auch heute noch passieren; das die Polizei Menschen entführt
oder foltert, sie ermordet, vor allem in den Slums, dass Gewerkschafter, Umweltaktivisten,
Angehörige indigener Völker verfolgt werden; dass eine massive Straflosigkeit herrscht;
und dass hinsichtlich der Proteste in Brasilien von 2013 eine Kriminalisierung der
sozialen Bewegungen stattfindet. Dabei finden sich dort Menschen zusammen, um für
ihre sozialen Rechte in der Gesellschaft zu kämpfen.“