In Istanbul hat der
Gipfel der 15 orthodoxen Kirchenführer begonnen. Bis Sonntag wollen sie am Amtssitz
von Patriarch Bartholomaios, dem „Phanar“, die Einberufung eines großen orthodoxen
Konzils vorbereiten. Die Erwartungen an den Kirchengipfel, eine so genannte „Synaxis“,
sind hoch. Die russisch-orthodoxe Kirche, vertreten durch ihren Außenamtschef Metropolit
Hilarion, zeigt offenbar Bereitschaft, die Vorbereitungen zum Konzil deutlich zu beschleunigen.
Ein solches Konzil, das schon seit einem halben Jahrhundert vorbereitet oder gefordert
wird, wäre erst das achte in der Geschichte der orthodoxen Kirchen.
„Viele
von uns fragen sich, wie lange die Vorbereitungen noch dauern sollen“, so Hilarion
in seiner Rede in Istanbul. „Vielleicht müssen wir die Vorbereitungsphase schneller
machen und einen Mechanismus einsetzen, der alle Probleme löst.“ Das könnte ein neugeschaffenes
interorthodoxes Sekretariat sein, das die vom russischen Metropoliten genannten Probleme
eines nach dem anderen angeht. Da handelt es sich vor allem um die Tagesordnung und
um das Procedere beim Konzil. Das Sekretariat könnte sogar schon Entwürfe für Konzilstexte
schreiben. In all diesen Punkten bestanden bisher tief gehende Auffassungsunterschiede
zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und von Moskau.
Auf dem
Weg zum Konzil
Ist das also ein Durchbruch hin zur Einberufung eines
Panorthodoxen Konzils? Der renommierte katholische Publizist, Theologe und Ostkirchenexperte
Gianni Valente beantwortet diese Frage mit Ja. Er sieht Signale für ein Umdenken bei
den Orthodoxen Rußlands. Hilarion habe wörtlich erklärt: „Neue Realitäten, neue Problemstellungen“
zeigten sich global. „Wir müssen deshalb vor unserer Herde und vor der Welt jene Probleme
aufzeigen, die uns heute Sorgen machen, und nicht mehr jene, die die orthodoxen Kirchen
in den 1970er- und 1980er-Jahren beschäftigten.“
Das Umdenken in Moskau könnte
nach Ansicht von Valente eine Folge des Ukraine-Konflikts sein. Patriarch Kyrill I.
von Moskau hat nach Einschätzung Valentes die „Synaxis“ nämlich auch zur Klarstellung
genutzt, dass die kanonisch-legitime Orthodoxie in der Ukraine weiterhin unter russischer
„Oberhoheit“ bleiben soll. Und dazu habe es auch keine Einwände seitens des Ökumenischen
Patriarchen Bartholomaios gegeben. Somit werde die Ukraine auch weiter kirchlich „kanonisches
Territorium“ der russischen Orthodoxie bleiben. Und dafür dankten die Russen sozusagen,
indem sie sich aufgeschlossener zeigten: für die Konzilspläne, aber auch bei der Anerkennung
des orthodoxen Ehrenprimats, den Konstantinopel beansprucht. Sogar Rom könnte Nutznießer
des russischen Umdenkens werden, denn Hilarion hat nach Valentes Deutung auch größere
Bereitschaft gezeigt, mit dem Vatikan den ökumenischen Dialog über das Petrusamt fortzusetzen.