Vatikan richtet Syrien-Treffen aus: Es gibt immer Möglichkeiten
Vor der internationalen
Syrien-Konferenz in Genf wollen hochrangige Politiker in den Vatikan reisen, um über
eine Beilegung des Konflikts zu beraten. Unter anderen werden der britische Ex-Premierminister
Tony Blair und Friedensnobelpreisträger Mohamed El-Baradei erwartet, gab der Vatikan
bekannt. Blair ist Sondergesandter des Nahost-Quartetts, El-Baradei spielte eine wichtige
Rolle beim Umsturz in Ägypten. Worum es bei dem Treffen am 13. Januar im Detail gehen
soll, berichtet im Gespräch mit Radio Vatikan Bischof Marcelo Sanchez Sorondo. Er
ist der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, die das Treffen organisiert
hat:
„Es soll um einen Waffenstillstand in Syrien gehen, um die humanitäre
Hilfe zu ermöglichen und Hilfskorridore zu schaffen, die es bisher nicht gibt. Und
es soll darum gehen, die Verfolgung der Christen einzudämmen. Ideal wäre es, eine
mögliche Übergangsregierung im Land zu schaffen, um Wahlen organisieren zu können.
Syrien hat eine Verfassung, doch die muss respektiert werden. Auch dem Menschenhandel
und der Prostitution wollen wir etwas entgegensetzen: das sind Themen, die dem Papst
am Herzen liegen.“
Mit der ehrgeizigen Initiative will der Vatikan die
von Papst Franziskus eingeschlagene Linie für ein Ende der Gewalt in Syrien fortsetzen,
so Sorondo. Papst Franziskus hatte eine Gebets- und Fasteninitiative für Syrien ausgerufen
und einen Brief an die G20-Staatschefs gerichtet, für eine friedliche Lösung in Syrien
einzutreten. Mit dem kommenden Syrien-Treffen wolle der Vatikan auch ein Zeichen gegen
die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ setzen, so Sorondo weiter. So trägt die
Veranstaltung auch den Titel: „Syrien – kann man gleichgültig bleiben?“ Am 22. Januar
wollen dann Vertreter der syrischen Rebellen und des Assad-Regimes gemeinsam mit Repräsentanten
anderer Staaten in Genf erstmals direkt miteinander verhandeln. Wie sieht Vatikanvertreter
Sorondo die Erfolgschancen der Genf 2-Konferenz?
„Wenn man diese Konferenz
ausrichtet, dann deshalb, weil es Möglichkeiten gibt! Hoffen wir das Beste. Es ist
sehr schwer, doch ich denke, dass man bei diesem Treffen etwas erreichen kann – so
wie es uns gelungen ist, eine Bombardierung (Syriens durch die USA) abzuwenden. Ich
hoffe zumindest darauf, dass wir humanitäre Korridore schaffen können.“
Laut
Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind im vergangenen Jahr
mehr als 73.000 Menschen in Syrien getötet worden, davon waren mehr als 34.000 Zivilisten
und mehr als 3.600 Kinder. Das sei der höchste Blutzoll seit Beginn des Konflikts
im März 2011, so die Assad-kritische Nichtregierungsorganisation mit Sitz in London.
Im Interview mit Radio Vatikan gibt Sorondo eine mögliche Erklärung dafür, dass dem
inzwischen drei Jahre dauernden grausamen Konflikt bisher kein Ende bereitet werden
konnte:
„Das Problem ist, dass es hier viele verschiedene Interessen gibt
und viele Verantwortlichkeiten. Vielleicht sind die verschiedenen Verantwortlichen
auch mehr den eigenen Interessen gefolgt als das Gemeinwohl zu schützen und zu verhindern,
dass es (insgesamt) 130.000 Tote und zahlreiche Waisen gab, die ohne Eltern geblieben
sind. Ganz zu schweigen von den anderen familiären Dramen, dem Exodus der Menschen,
vor allem der Christen. Viele Personen, auch Bischöfe, sind verschwunden. Kurz gesagt:
Die Situation ist dramatisch.“
Seitens des Heiligen Stuhls nimmt an dem
Treffen unter anderem der Präsident des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog,
Kardinal Jean-Louis Tauran, teil.