Ö: Kardinal Sandri, „20. Jh. war Jahrhundert der christlichen Märtyrer“
Die ökumenische Bedeutung des christlichen Martyriums im 20. Jahrhundert hat Kurienkardinal
Leonardo Sandri betont. Bei einem Symposium zu dem Thema in Wien sagte der Präfekt
der vatikanischen Ostkirchenkongregation, in den Märtyrern seien die Kirchen im 20.
Jahrhundert dem Geheimnis des leidenden Jesus wieder nahegekommen. Sandri unterstrich
die Bedeutung der gegenseitigen Vergebung. Katholiken und Orthodoxe müssten sich noch
stärker ihrer gemeinsamen Quellen bewusst werden. Heute gehe es auch darum, gemeinsam
auf die Ursprungsländer des Christentums zu schauen, wie es Papst Franziskus am 7.
September mit dem weltweiten Fasten- und Gebetstag für Syrien getan habe. Die Bedeutung
des Martyriums sei ihm bei seinem jüngsten Besuch in der kasachischen Republik zu
Bewusstsein gekommen, sagte der Kurienkardinal. Dort sei er in einem Gulag-Museum
mit dem Leid hunderttausender Deportierter der Stalin-Zeit konfrontiert worden und
habe am vergangenen Sonntag die erste griechisch-katholische Kirche in der Hauptstadt
Astana weihen können.
Kardinal Christoph Schönborn wies darauf hin, dass das
Martyrium von Christen auch heute weitergehe, wie die jüngsten Nachrichten über die
Ermordung von Christen in der syrischen Kleinstadt Sadad zeigen. Angefangen von der
Ermordung der Armenier im Osmanischen Reich ab 1915 sei das 20. Jahrhundert gekennzeichnet
von großen Wellen der Christenverfolgung. Am 9. November müsse man aber auch daran
erinnern, dass genau vor 75 Jahren überall im sogenannten Großdeutschen Reich Pogrome
gegen jüdische Mitmenschen stattfanden und mehr als 1.000 Synagogen niedergebrannt
wurden. Die Kraft des Martyriums liegt nach den Worten des Wiener Erzbischofs auch
in der Kraft der Vergebung. Es gelte „dort, wo Hass ist, nicht mit Hass und Gewalt
zu antworten“. In diesen Kontext stellte er auch ein persönliches Erlebnis, als ihm
im Jahr 2000 in der Bukarester Patriarchalresidenz jener Raum gezeigt wurde, in dem
sich 1948 auf Befehl der kommunistischen Machthaber alle zwölf griechisch-katholischen
Bischöfe Rumäniens versammeln mussten und ihnen die Frage vorgelegt wurde, ob sie
sich der Orthodoxie anschließen oder ins Gefängnis gehen wollen. Alle Bischöfe entschieden
sich für das Gefängnis.
Der Generalsekretär des Heiligen Synods der ukrainischen
griechisch-katholischen Kirche, Bischof Bogdan Dziurach, verlas ein Grußwort von Großerzbischof
Swjatoslaw Schewtschuk. Jedes „authentische Glaubenszeugnis“ habe ökumenischen Charakter,
so Schewtschuk. Es gebe einen „Ökumenismus der Märtyrer“. Tausende Glaubenszeugen
der Vergangenheit erinnerten die kirchlichen Verantwortlichen von heute daran, die
Verkündigung des Evangeliums nicht von äußeren Umständen abhängig zu machen, sondern
sich am Willen Christi zu orientieren. Der Großerzbischof zitierte den Wunsch Johannes
Pauls II. beim Gottesdienst am 27. Juni 2001 in Lemberg (Lwiw), dass die Erinnerung
an die Märtyrer nicht verloren gehen dürfe. Denn sie seien „Zeichen der Hoffnung,
dass die Liebe stärker ist als der Tod“.
Das Symposion wurde gemeinsam vom
Ordinariat für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Österreich, vom „Internationalen
Theologischen Institut“ (ITI) in Trumau, der Katholisch-Theologischen Fakultät der
Universität Wien und der Ukrainisch-katholischen Universität Lemberg (Lwiw) veranstaltet.