Kardinal Kasper: „Die Liturgie ist das schlagende Herz der Kirche“
Kardinal Walter Kasper hat in Fribourg die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils
gewürdigt. Bei einem Festakt zum 50. Jahrestags der Liturgiekonstitution „Sacrosantum
Concilium“ sagte Kasper am Freitag, die Liturgie sei das schlagende Herz der Kirche.
Man habe seinerzeit die Reform erhofft, aber konkret so nicht erwartet. Sie sei ein
Geschenk des Heiligen Geistes für die Kirche unserer Zeit. Am Freitag wurde auch das
50-jährige Bestehen des liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz gefeiert.
Seit 2004 wird es von P. Peter Spichtig OP geleitet. (kipa 13.10.2013)
Von
Andrea Moresino / Kipa
"Bei der Ankündigung und Eröffnung des Konzils durch
Papst Johannes XXIII. war unsere Begeisterung sehr groß. Es war ein Enthusiasmus,
den man heutigen Christen kaum mehr vermitteln kann", sagte Kardinal Walter Kasper
(80) am Freitagabend in Freiburg i. Ü. Anlass war der 50. Jahrestag der Liturgiekonstitution
"Sacrosanctum Concilium" und das 50-jährige Bestehen des Liturgischen Instituts der
Schweiz. Voll des Lobes über die Konstitution äusserte der Kardinal aber auch Bedenken
im Hinblick auf deren Umsetzung.
"Für uns wurde mit der Liturgie-Reform etwas
Wirklichkeit, was wir in der Tiefe unseres Herzens ersehnt hatten, aber konkret so
nicht erwarten konnten", sagte Kardinal Kasper vor rund 100 Personen an der Universität
Freiburg. In seinem Vortrag bezeichnete Kasper die Liturgiekonstitution als eine Wegweisung
des Heiligen Geistes: "Sie ist ein Geschenk des Heiligen Geistes für die Kirche unserer
Zeit". Das erste Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1963-65) sei auch "sachlich
das zentrale Anliegen des Konzils". Die Liturgie stehe im Fokus aller Konzilsdokumente,
sie sei wie in der Musik das Präludium, welches bereits alle wesentlichen Motive der
anderen Dokumente anklingen lässt, so Kasper. Und der Kardinal ging noch weiter in
seiner Begeisterung: "Sie ist das schlagende Herz der Kirche". Für ihn sei die liturgische
Erneuerung die erste, die zentrale und zugleich die sichtbarste Frucht des Konzils.
Liturgie
ist nicht Sache der Kleriker
Der ehemalige vatikanische Ökumene-Minister betonte
in seinen Ausführungen, dass es in dieser Konstitution nicht primär um Riten-Reformen
oder die Einführung der Volkssprache und die dem Volk zugewandte Zelebration ging,
sondern "dem Konzil ging es nach eigener Aussage um das Leben der Christen". Es
gehe um das Offenbarmachen des Mysteriums Christi und um die Verwirklichung des Wesens
der Kirche. Kasper erinnerte daran, dass die Liturgie nicht Sache der Kleriker ist,
sondern, dass sie Sache des ganzen Volkes Gottes ist. In der Konstitution wird darauf
hingewiesen, dass die "Gläubigen nicht nur Empfänger und Objekt, sondern vor allem
Subjekt der liturgischen Feiern" sind. Eine liturgische Einheitlichkeit kann es
gemäss der Liturgie-Reform nicht geben, weil die eine Kirche aus vielen Ortskirchen
besteht. Der Vielfalt der verschiedenen Gegenden und auch Völker soll Raum gegeben
werden, heisst es in der Konstitution. Doch die Entwicklung ging in die entgegen gesetzte
Richtung, hin zu einem Zentralismus, wie ihn die gesamte liturgische Tradition nicht
kannte, führte der Kardinal weiter aus.
Mangelhafte Sakramentenkatechese
Bedenken
äußerte er betreffend der Einführung der liturgischen Reform: Oft seien die Seelsorger
nicht genügend darauf vorbereitet gewesen. Und noch heute herrsche ein "katastrophaler
Mangel" an Mystagogie. "Die Art wie die Sakramentenkatechese weithin geschieht, ist
pastoral nicht verantwortlich. Hierin besteht noch eine wichtige Aufgabe für die
Zukunft", meinte der frühere Kurdienkardinal. Auch das Passahmysterium sei pastoral
kaum oder nur schwach rezipiert, gab Kasper zu bedenken. Noch immer gehe man von einem
Gegensatz zwischen dem Verständnis der Eucharistie als Opfer oder als Mahl aus. Diesen
Umstand ortete Kasper sowohl bei Priestern als auch bei Laien: Nicht wenige hätten
Schwierigkeiten vom Messopfer zu sprechen, weil sie meinten diese Rede widerspreche
dem Konzil. Dabei sei es von grosser ökumenischer Bedeutung, dass die "Eucharistie
kein neues Opfer, sondern die reale Vergegenwärtigung des einen und einzigen Opfers
Jesu Christi ist". Dies bringe die Kirche in die Nähe der Orthodoxie und helfe ihr,
in der Kontroverse mit der Reformation weiterzukommen.
Erneuerung aus dem
Ursprung
Mit den Worten von Papst Johannes XXIII. (1958-1963) "Die Liturgie
ist kein Museum, sondern wie ein Dorfbrunnen, aus dem frisches Wasser sprudelt", zitierte
Kasper den Konzilspapst. Denn auch die Konstitution habe eine pastorale Zielsetzung
und so sei sie für eine Förderung der pastoralliturgischen Bewegung, die nicht einen
"liturgischen Archäologismus oder Ästhetizismus" zum Ziel habe. Vor einem überwiegenden
Fachpublikum erinnerte Kardinal Kasper daran, dass die "pastorale Frucht nach der
Liturgiekonstitution nicht rein individualistisch verstanden" werden darf. Die Konstitution
habe auch eine soziale, kosmische und universale Dimension – grundgelegt in dem Gedanken
von der Kirche als allumfassendes Heilssakrament. Die Liturgiekonstitution wollte
Wegweisung und Erneuerung aus dem Ursprung sein, sagte Kasper abschließend. Einen
anderen Weg zur Erneuerung gebe es nicht. "Doch diesen Weg zurück zum Ursprung und
von dort nach vorne sind wir in den letzten 50 Jahren noch nicht zu Ende gegangen."
Die volle Übernahme stehe noch bevor und für die Wegweisung der Konstitution sollte
man dankbar sein, meinte Kasper am Ende seines Festvortrags.
1963 errichtetes
Institut begleitete Erneuerung der Liturgie
Der Kongress fand anlässlich des
50. Jahrestags der Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium" und des 50-jährigen
Bestehens des Liturgischen Instituts der Schweiz vom 10. bis 12. Oktober an der Universität
Freiburg i. Ü. statt. Die Veranstaltung stand unter dem Titel "Die sichtbarste Frucht
des Konzils" - Kritische Situationsanalyse der Liturgie der Kirche in der Schweiz.
Das erste Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils, "Sacrosanctum Concilium", wurde
am 4. Dezember 1963 verabschiedet. Im selben Jahr wurde das Liturgische Institut der
Schweizer Bischofskonferenz errichtet. Nach eigenen Angaben hat es maßgeblich die
Erneuerung der Liturgie in der Schweiz mitgetragen und begleitet. Das Institut hat
die Aufgabe, die pastoralliturgische Arbeit in der deutschsprachigen und rätoromanischen
Schweiz zu koordinieren und zu fördern.