D/Rumänien: So helfen die Spenden der Renovabis-Pfingstaktion
„Das Leben teilen
- Solidarisch mit behinderten Menschen im Osten Europas“ – unter diesem Motto stand
die diesjährige Pfingstaktion des deutschen Osteuropahilfswerkes Renovabis. In allen
katholischen Gottesdiensten wurden am Wochenende bundesweit Spenden gesammelt, die
Menschen mit Behinderung in Osteuropa zugutekommen. Allein in Rumänien, wo ein Drittel
der Bevölkerung an der Armutsgrenze lebt, hat Renovabis in den letzten zwei Jahrzehnten
über 1.500 Hilfsprojekte mit insgesamt fast 75 Millionen Euro unterstützt. Während
in der rumänischen Gesetzgebung die Rechte für Behinderte schon festgeschrieben sind,
hapert es allerdings bei deren Umsetzung. Das berichtet der Caritas-Direktor der rumänischen
Diözese Alba Julia, András Márton, im Interview mit Radio Vatikan: „Die Umsetzung
dieser Gesetze ist viel schlechter als die Gesetzgebung, die in Rumänien in vielen
Bereichen ziemlich fortgeschritten ist. Zum Beispiel, was Befahrbarkeit angeht, dass
man etwa die Straßen mit dem Rollstuhl befahren kann. Sogar ins Parlament kann man
nicht: Es gibt einen behinderten Abgeordneten, ich habe ein Foto mit ihm im Rollstuhl
vor dem Parlament, da gibt es viele Treppen, und er kann nicht hoch.“ Vor
allem behinderte Menschen auf dem Land leiden unter fehlenden Betreuungsstrukturen
und einer insgesamt schlechten Gesundheitsversorgung – in Rumänien kommt auf 1.000
Menschen ungefähr ein Arzt; die massive Abwanderung qualifizierter Kräfte ins Ausland
ist ein großes Problem. Die Caritas ist, was medizinische und soziale Dienstleistungen
betrifft, in einigen Landesteilen nahezu der einzige Versorger, erzählt Márton. Mit
der Gesundheitsreform sei 1996 zwar jeder Bürger pflichtversichert worden, die Leistungen
tatsächlich zu bekommen, sei aber ein Glücksspiel:
„Die Krankenkasse hat
niemals gesagt, was die Minimalleistungen sind, die jeder bekommen muss. Wenn’s geht,
bekomme ich sie, wenn nicht, nicht. Die Finanzierung des Systems ist auch unzureichend.
In unserem Land werden gut vier Prozent eines viel schwächeren Bruttoinlandproduktes
in Gesundheit investiert, in Deutschland sind es über neun Prozent!“
Die
Caritas Alba Julia betreut heute in der Region rund 40.000 Menschen in sechs von neun
Landkreisen. Die Hilfsarbeit ist vielfältig: Altenpflege, Kinder- und Jugendarbeit,
Behindertenarbeit, Projekte für Roma und Familienhilfe gehören fest zum Programm.
Doch auch auf das Ehrenamt und die Förderung von zivilem Engagement legt die Organisation
großen Wert. „Eigeninitiative, Beziehung und Gemeinschaft waren jahrzehntelang strafbar“,
wie es Márton ausdrückt. Da gebe es heute an der Basis viel zu tun, so der Caritas-Direktor
auch mit Blick auf die Politik:
„Ich glaube nicht, dass Gesetze
ein Leben generieren können. Ich glaube, dass eine Sozialkultur, eine Kultur des Miteinanders,
Gesetze produziert. Und dann werden die getragen und leben solange, wie sie getragen
werden von der Sozialkultur. Die nationale Regierung nimmt noch zu wenig wahr von
den ganzen zivilgesellschaftlichen Entwicklungen. Ich glaube, es liegt bei vielen
außerhalb der Gedankenmöglichkeit, dass jemand anderer Leben gestalten kann als die
Politik.“
Mehr über Kirche und Hilfsarbeit in Rumänien erfahren Sie
in der unserer aktuellen Sendereihe „Radioakademie“, am kommenden Dienstagabend läuft
die nächste Folge bei uns im Abendprogramm.