2013-05-06 11:54:45

Libanon: In Zelten aus Jute und Müll


RealAudioMP3 Die Krise in Syrien hält weiter an, und immer mehr Menschen flüchten aus dem Land in die Nachbarstaaten – zum Beispiel in den Libanon. Dort spitzt sich die Lage der Flüchtlinge weiter zu. Stefan Maier, der Leiter der Auslandshilfe der Caritas Salzburg, war Mitte April im Libanon und ist erst vor wenigen Tagen wieder dorthin gereist. Bei einem Zwischenstopp in Salzburg berichtete er unserer Redakteurin Stefanie Stahlhofen:

„Die Lage im Libanon wird zunehmend dramatisch, die Auswirkungen des Bürgerkriegs in Syrien und die dadurch ausgelöste Flüchtlingskrise, die Flüchtlingsströme in die Nachbarländer – vor allem in den Libanon, aber auch nach Jordanien, in die Türkei und in den Irak – nimmt immer größere Dimensionen an. Zu den Flüchtlingslagern dort muss ich erst einmal sagen – das ist ganz wichtig für das Verständnis der Situation dort – dass es im Libanon keine offiziellen, von der Regierung organisierten Flüchtlingslager gibt, und es den Hilfsorganisationen nicht erlaubt ist, solche Lager zu betreiben. Offiziell gibt es keine Flüchtlingslager, so wie das zum Beispiel hingegen in Jordanien der Fall ist, wo die Regierung solche Lager geschaffen hat, oder in der Türkei. Im Libanon kommen die Flüchtlinge über die Grenzen und dann müssen sie selbst schauen, wo sie unterkommen. Dann errichten sich diese Flüchtlinge ganz primitive Zelte: aus Abfallmaterialen, einem Holzgestell und darüber Plastikplanen, Jutesäcke, Abfallmaterialien.“

Wie stellt sich die Lage denn mittlerweile dar? Die Situation hat sich ja in den letzten Wochen sehr zugespitzt…

„Die größeren Lager umfassen mittlerweile schon bis zu 170 Zelte. Die Lebensbedingungen dort sind unglaulich schwierig: es gibt keine ausreichenden sanitären Anlagen, es gibt kein sauberes Wasser, die hygienischen Bedingungen sind mangelhaft und es kommt zunehmend zum Ausbruch von Krankheiten. Das Problem ist, dass der Libanon einfach von der Last der Flüchtlinge, von der schieren Masse, erdrückt wird. Man muss sich vorstellen, dass auf vier Millionen Libanesen zwei Millionen Ausländer kommen. Das wäre auf Österreich umgelegt zum Beispiel, als wenn Österreich auf einmal innerhalb kürzester Zeit viereinhalb Millionen Ausländer aufnehmen müsste. Das ist eine gewaltige Herausforderung und ein gewaltiges Problem für die Regierung.“

Welches Schicksal hat Sie denn besonders bewegt? Sie haben ja auch viele Menschen vor Ort getroffen…

„Es sind Fälle, die mir von der letzten Reise ganz besonders in Erinnerung geblieben sind, wie überhaupt die Eindrücke bei dieser letzten Reise mit zu dem Schlimmsten gehören, was ich in 20 Jahren Caritasarbeit im Nahen Osten erlebt habe. Das eine ist eine junge Frau, die jetzt alleine mit drei Kindern in einem dieser provisorischen Zeltlager lebt. Ihr Mann ist bei Kämpfen in Syrien getötet worden, ihr Bruder ist von einer Bombe zerfetzt worden und auf der Flucht ist ihr Vater an einem Checkpoint umgebracht worden, dem hat man die Kehle durchgeschnitten. Sie sitzt jetzt mit drei kleinen Kindern alleine in diesem Lager. Ein anderer Fall war der eines 15-Jährigen aus Homs. Dort ist ins Nachbarhaus eine Granate eingeschlagen und auf der überstützten Flucht ist er von den Eltern getrennt worden. Er hat sich dann einer Gruppe von Menschen angeschlossen, die in einen Bus gestiegen sind, um in den Libanon zu fliehen. Jetzt sitzt er da mutterseelenallein und verzweifelt und weiß nicht, ob seine Familie noch lebt – das war auch ein sehr berührendes Erlebnis.“

Wie könnte denn eine Lösung im Syrienkonflikt aussehen?

„Es ist bedauerlicherweise so, dass derzeit noch nicht das geringste Hoffnungszeichen am Horizont zu sehen ist. Die Lage verschlimmert sich sogar noch weiter. Vor allem in letzter Zeit kommt es und kam es zu intensiven Kampfhandlungen in Damaskus – Damaskus ist natürlich als Hauptstadt das Bevölkerungszentrum, dort konzentriert sich der größte Teil der syrischen Bevölkerung. Je intensiver die Kampfhandlungen in Damaskus sind, desto mehr Flüchtlinge werden im Libanon registriert. Damaskus ist nur wenige Dutzend Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt, das heißt, derzeit kommen täglich immer noch mehr Flüchtlinge über die Grenze. Wie es scheint, wird sich daran so schnell nichts ändern; die Kämpfe gehen unvermindert weiter. Es ist eine Pattsituation: Offensichtlich kann keine Seite entscheidende Fortschritte verzeichnen. Es sieht alles danach aus, dass dieser Konflikt noch sehr lange andauern wird, die Hilfsorganisationen und die Weltgemeinschaft noch lange in Atem halten wird, dass er noch sehr blutig wird und sehr viele Opfer fordern wird. “

Soweit die Einschätzung von Stefan Maier, Leiter der Auslandshilfe der Caritas Salzburg und Nahost-Koordinator der Caritas Österreich. Die Caritas unterstützt die Flüchtlinge im Libanon zum Beispiel mit Hilfspaketen; Stefan Maier ist mittlerweile auch schon wieder im Libanon, um Hilfsmaßnahmen vor Ort zu koordinieren.

(rv 06.05.2013 sta)








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