Christen sollten nicht
nur in der Gesellschaft leben, sondern sie auch mit gestalten wollen. Diesen Gedanken
brachte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck mit zum evangelischen Kirchentag
nach Hamburg. Bereits vor dem Kirchentag, aber auch im Motto „Soviel du brauchst“
wurde die weltweite Armut als eines der zentralen Themen angesprochen. Kirchentagspräsident
Gerhard Robbers erklärte, dass man denen beistehen müsse, die nicht hätten, was sie
brauchen - und das gelte für materielle Armut genauso wie für den Mangel an Gemeinschaft,
Hoffnung oder religiöser Erfüllung.
Ein weiteres Thema: Die Ökumene. Vor diesem
34. Kirchentag war ihre Bedeutung immer wieder unterstrichen worden. Im Rahmen des
Eröffnungsgottesdienstes auf dem Rathausmarkt war sie dann sehr präsent: Unter den
Vorbereitern der Liturgie war auch ein katholischer Pfarrer, Pater Martin Löwenstein.
Im Interview erklärt er uns, warum ein katholischer Priester und Pfarrer einer Hamburger
Gemeinde beim evangelischen Kirchentag mithilft, eine Liturgie zu gestalten.
„Weil
es in Hamburg ist. Das hat sehr viel damit zu tun, dass die Ökumene hier in Hamburg
sehr gut verwurzelt ist und ein sehr breites Spektrum hat. Die evangelische Kirche
ist hier sehr vielfältig, die Mennoniten sind in der Ökumene traditionell stark, auch
die Baptisten genauso wie die Reformierten bis hin zu Adventisten und anderen. Aber
es gibt eben auch Altorientalen und Orthodoxe. Das heißt, dass hier eine ganz breite
Ökumene existiert, die präsent ist wie nirgendwo sonst in Deutschland. Deswegen war
es naheliegend, dass das auch beim Gottesdienst zur Eröffnung zum Ausdruck kommen
sollte. Natürlich war die Wahrnehmung sehr stark, dass ein Katholik die Liturgie mit
vorbereitet hat, aber das Ganze ist zu sehen vor dem Hintergrund einer traditionell
starken Ökumene in Hamburg.“
Der ökumenische Gottesdienst als solcher findet
ja erst an diesem Donnerstag statt, aber die Eröffnung am Mittwochabend war auch schon
stark im Zeichen der Ökumene. Haben wir also einen evangelisch – ökumenischen Kirchentag?
„Was
man nicht unterschätzen darf: Die evangelische Kirche in Deutschland ist als solche
ja schon einmal ökumenisch, weil sie verschiedene Landeskirchen verbindet, und zwar
auch mit verschiedenen konfessionellen Hintergründen. Von daher ist das ein Teil der
normalen Kirchentagstradition. Das zweite ist, dass es für das evangelische Selbstbild
entscheidend ist, diese Offenheit zu erleben und zu ermöglichen. Das ist der Beitrag
der Evangelischen zur Ökumene. Ich vermute mal, Katholiken kämen nicht auf die Idee,
Ähnliches beim Katholikentag zu machen. Der Beitrag der Katholiken zur Ökumene ist
eher das Betonen der kirchlichen Identität und des kirchlichen Profils. Beides zusammen
macht die Ökumene spannend.“
Wie haben wir uns dann diese Eröffnungsliturgie
vorzustellen? Es war dann offensichtlich kein klassischer lutherischer oder reformierter
Gottesdienst.
„Alles was wir als Vorstellung haben und sagen, das eine
ist doch evangelisch und das andere katholisch, stimmt ja am Ende nicht. Der Gottesdienst
hat die Grundstruktur eines jeden christlichen Gottesdienstes, die wir dem jüdischen
Gottesdienst verdanken. Es ist nicht spezifisch katholisch oder evangelisch, das Wort
Gottes zu hören, eine Predigt zu halten, Fürbitten zu lesen und ein Glaubensbekenntnis
zu sprechen. Das haben wir gemeinsam. Das zu entdecken und in dieser Form gemeinsam
Gottesdienste zu feiern ist etwas, was hier in Hamburg sehr leicht fällt und Spaß
macht, weil es wirklich profilierte Kirchen sind, die das miteinander machen. Das
Ganze geht nicht auf in einem Einheitsbrei, wo man sich konfessionell nicht mehr wiedererkennen
würde.“