„Kompetenzen haben kein Geschlecht“: Gespräch über die Rolle der Frau in der Kirche
„Sicher war es Zeit
dazu! Ein Zeichen, dass es Änderungen gibt.“ So beantwortet Schwester Mary Melone
die Frage, ob es nicht an der Zeit war, im Jahr 2014 erstmals eine Rektorin an einer
Päpstlichen Universität zu haben. Schwester Melone wurde jüngst vom Heiligen Stuhl
zur Rektorin des Antonianums bestellt, der Universität der Franziskaner in Rom. Die
50-jährige Italienerin ist Professorin für Dogmatik am Antonianum und leitete bereits
als Dekanin die dort angesiedelte Fakultät für Theologie. Den Begriff „Theologie der
Frau“ sieht die Rektorin differenziert, sagte sie im Gespräch mit Gudrun Sailer.
„Einige
Theologen denken, es gebe eine weibliche Theologie, und wenn sie das Attribut „weiblich“
benutzen, tun sie das im Verständnis, dass die Theologie als solche männlich sei.
Deshalb bin ich etwas vorsichtiger mit den Zuschreibungen. Die Theologie als solche,
ohne nähere Bestimmungen, ist für mich das Nachdenken über das Geheimnis Gottes, das
sich offenbart. Deshalb können Männer wie Frauen Theologie betreiben. Ich sehe, dass
heutige theologische Forschung in Graden offener für den Beitrag der Frauen ist, für
die Arbeiten von Theologinnen, die immer öfter zitiert werden; das Zitiertwerden ist
ja das greifbare Zeichen für die Akzeptanz. Wir stehen vor der Autorität von Forschen,
die eine lange Tradition fortführen, eine Tradition, die sich vor allem auf den Beitrag
von Männern gründete.“
Frauen seien eben „ziemlich spät“ in den theologischen
Diskurs eingestiegen, erinnert Schwester Melone. Zwar habe es im Ländern deutscher
Sprache wie in Italien auch in früheren Jahrhunderten bedeutende Theologinnen gegeben,
aber „ohne einen Raum der Anerkennung als kirchlichen Dienst“.
„Mit dem
Konzil wird der Beitrag theologisch arbeitender Frauen eben auch kirchlicher Dienst.
Genau deshalb denke ich, das ist ein unumkehrbarer Prozess, diese offenen Türen der
Institutionen für die Frauen. Das sieht man schon in den römischen Gegebenheiten,
und mindestens ebenso sehr auf Weltebene. Wir werden den angemessenen Raum für unseren
Beitrag zur Theologie erhalten.“
Rolle der Frau in der Kirche:
Nicht für einzelne Sektoren da
Wie können Frauen in der Kirche stärker
gewürdigt werden? Papst Franziskus hat mehrmals eingeladen, darüber nachzudenken.
Vor Teilnehmerinnen eines Vatikan-Kongresses bekannte Franziskus offen, er leide,
wenn er in der Kirche sehe, dass der Dienst der Frau „in Richtung einer Rolle der
Fronarbeit abgleitet“. Schwester Mary Melone kann sich dem nur anschließen.
„In
gewisser Hinsicht hat Franziskus da etwas Neues gesagt – denn er hat es mit großer
Klarheit gesagt. An sich ist es Realität: Die Rolle der Frau in der kirchlichen Gemeinschaft
war immer die der Unterstützung, die des Praktischen. Aber wahr ist auch: Man darf
nicht festlegen, DIES sei die Rolle der Frau. Kompetenzen haben kein Geschlecht. Wo
es Kompetenz gibt und Qualifikation, auch etwa bei der Verwaltung einer Sache, da
ist es Zeit, dass der Frau nicht bloß das Praktische überlassen wird, als hätte sie
nicht die Fähigkeit oder die Reife zum Ausüben von Tätigkeiten, die hinausgehen über
die so genannten niedrigen Dienste. Abwertend gesagt – denn in der Kirche ist letztlich
alles Dienst. Es gibt in der Geschichte Beispiele von Frauen, die außergewöhnlichen
Weitblick, organisatorische Fähigkeiten und Kreativität an den Tag gelegt haben. In
diesem Sinn glaube ich, Papst Franziskus hatte die Gabe, nüchtern eine Situation zu
benennen, die in den kirchlichen Gemeinschaften leider oft gegeben ist.“
Wohin
Frauen in der Kirche also gelangen können? Die Rektorin glaubt nicht, „dass man den
Frauen einzelne Sektoren zuweisen kann“. Jedenfalls warnt sie davor zu denken, mit
einer Übernahme männlicher Rollen sei die Würde der Frau sozusagen eingelöst. Die
Kirche sei ein Miteinander von Charismen - jeder stellt seine Gabe zur Verfügung.
„Es
ist nicht so, dass unsere Realisierung darin liegt, Dinge zu tun, die Männer tun.
Unsere Realisierung liegt darin, Dinge zu tun, die wir tun können und zu tun verstehen.
Denn oft meint man ja, dass die Frau - auch im kirchlichen Bereich – erst dann voll
anerkannt sei, wenn sie die Männer ersetzt, oder die Priester, in den Rollen des Regierens.
Ich denke, da müssen wir zwei Dinge beachten. Das erste: die Frau soll nicht denken,
angekommen zu sein, wenn sie den Mann ersetzt, denn sie hat Räume, die Männer niemals
haben werden. Zweitens: die Kirche ist eine besondere Gemeinschaft mit eigener Ausgestaltung,
in der das Lehramt jedenfalls zu respektieren ist. Es gibt also Rollen, die vom Weiheamt
abhängen. Und diese werden der Frau nie offenstehen. Da muss die Natur der Kirche
respektiert werden. Wir sind keine demokratische Gesellschaft, in der wir uns die
Normen selbst erwählen. Wir haben eine Sakramentalität hinter uns, das gilt es zu
beachten.“
Kirche kann Komplexität der Welt nicht ignorieren
Manche
Entscheidungen in der katholischen Kirche können nur von Priestern getroffen werden.
Nur Priester können über Priester entscheiden. Abseits davon gibt es aber Felder,
die für Frauen offen stehen könnten, es aber in der Praxis nicht tun. Hier sieht die
Dogmatikerin noch unausgeschöpfte Möglichkeiten für die Zukunft der Frau in der katholischen
Kirche.
„Im Vergleich zur Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist
die Gesellschaft heute so komplex, dass die kirchliche Gemeinschaft heute diese Komplexität
nicht ignorieren kann. Das Leben der Kirche als Gemeinschaft öffnet heute mehr als
früher Räume der Zusammenarbeit, die der Frau nicht vorenthalten werden können.“
Liegt
die Lösung in neuen Ämtern? Im Lauf der Kirchengeschichte entstanden manchmal neue
Funktionen, weil neue Aufgaben zu lösen waren. So etwa das Kardinalat, das auf das
11. Jahrhundert zurückgeht und eine Institution der Kirche ist, nicht eine Institution,
die auf Jesus Christus zurückgeht wie das Priestertum oder das Bischofsamt. Wäre aus
ihrer Sicht denkbar, für die Frau ein neues Amt in der Kirche zu schaffen, wollten
wir von Schwester Melone wissen.
„Wenn es angemessen ist: ja. Wenn es der
kirchlichen Gemeinschaft wirklich hilft, glaube ich dass man früher oder später neue
Formen finden wird. Wenn es aber nur die Folge einer Forderung, eines Anspruchs wäre,
frage ich mich nach dem Nutzen eines solchen Schrittes. Alle kirchlichen Dynamiken
können und müssen einer angemessenen Reflexion unterworfen werden, aber unter Anerkennung
dessen, dass es einen Heiligen Geist gibt, auch bei der Förderung der Frau in der
Kirche.“
Womit wir wieder beim Anfang wären: 2014 leitet erstmals eine
Frau eine päpstliche Universität. Schwester Mary Melone wurde vom Lehrkörper am Antonianum
zur Rektorin gewählt und dann von der vatikanischen Bildungskongregation ernannt.
Papst Franziskus hatte also seine Hände gar nicht im Spiel? Die neue Rektorin lacht,
als sie sagt:
„In die Mechanismen der Ernennung war der Heilige Vater glaube
ich nicht involviert – und doch hat Papst Franziskus damit zu tun. Ich glaube, auch
wenn sein Pontifikat noch jung ist, hat es bereits eine Vision, eine Mentalität in
der Verwaltung der kirchlichen Dienste, wie das zum Beispiel ein Rektorat in einer
päpstlichen Universität ist.“