„Sie erinnern mich an Noah“ - Jüdische Delegation feiert mit
Sie sind
alle gekommen: Insgesamt 24 Staatsoberhäupter, zwei Königspaare und Vertreter von
Religionsgemeinschaften. Unter den Gästen bei der Heiligsprechung ist auch eine jüdische
Delegation. Auch wenn das Judentum keine Heiligen verehrt, ist die 20-köpfige Delegation
gern angereist, um mit den Katholiken die Heiligsprechung von Johannes XXIII. und
Johannes Paul II. zu feiern.
Es sei ein „historisches Ereignis“, sagt
der Vorsitzende der nordamerikanischen Rabbi-Gemeinschaft, der Rabbiner Jay Rosenbaum
voller Ehrfurcht. Diese doppelte Heiligsprechung sei ja auch für das Judentum ein
wichtiger Moment, so Rosenbaum weiter – für ihn waren es Johannes XXIII. und Johannes
Paul II., die die Beziehung zum Judentum grundlegend verändert haben.
„Es
begann mit Johannes XXIII., der die 2000 Jahre alte katholische Doktrin geändert hat,
und es möglich gemacht hat, dass Katholiken und Juden als Partner zusammenarbeiten
können im Prozess, den wir im Jüdischen ,Tikkun ha-Olam‘ nennen: ,Die Welt reparieren
nach dem Bild, das Gott für all seine Kinder bereit hält.‘ Es ging mit Johannes Paul
II. weiter, der die Tiefe der Unmenschlichkeit verstanden hat und den Horror der Vergangenheit
und der das Bedürfnis erkannt hat, dass sich etwas ändern muss – nicht nur theologisch,
auch allgemein, in der Einstellung. Er war eine Inspiration für mich.“
Der argentinische Rabbiner und enge Freund von Papst Franziskus, Abraham
Skorka, fühlt sich beiden heiligen Päpsten tief verbunden. Er schätzt den Einsatz
Roncallis für die Juden während seiner Zeit als Nuntius in Athen und sieht in ihm
„zweifellos“ den Initiator der guten Beziehung zwischen Juden und Katholiken. Johannes
Paul II. habe diesen Prozess großartig weitergeführt:
„Johannes Paul
II. verkörpert den Geist von Nostra Aetate: Nostra Aetate ist ein Geist, eine Absicht,
eine Erklärung: ,Lasst uns von nun an eine andere Situation, eine andere Beziehung
schaffen.‘ Die Geschichte ist die Geschichte und wir können die Geschichte nicht verändern.
Was wir aber ändern können, das ist die Zukunft. Und er hat eine Menge getan…“
Der Rabbiner Skorka ist dem polnischen Papst für Vieles dankbar. Besonders
möchte er sich am Tag der Heiligsprechung an diese drei Dinge erinnern:
„Johannes
Paul II. hat den Tiber überquert. Zum ersten Mal nach Jahrhunderten jüdisch-katholischer
Geschichte, ist ein Papst in eine Synagoge gegangen, um einen Rabbi und die besondere
Gemeinde zu treffen, sie zu umarmen, mit ihnen zu beten. Der zweite Punkt ist die
Schaffung von diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel.
Und das dritte ist das, was er auf das Blatt geschrieben hat, das er in die Klagemauer
gelegt hat. Es waren Worte der Anerkennung der Fehler, die die katholische Kirche
in der Vergangenheit gegenüber den Juden gemacht hat. Sehr, sehr harte Worte. Sehr
wichtige Worte.“
Im Judentum gibt es keine Heiligenverehrung
wie Katholiken sie kennen. Menschen, die ein besonders vorbildliches Leben im jüdischen
Sinne leben, werden im Judentum zu „Gerechten“. Für Rabbi Skorka ist die Heiligsprechung
eine „besondere Ehrerbietung, die Menschen zuteil wird, die im Geiste unserer Bibel
wirklich Meister in ihrem Einsatz waren“:
„Natürlich, ein Heiliger
zu sein, all diese Heiligsprechungen – das ist ein bisschen eigenartig für uns. Was
aber nicht eigenartig für uns als Juden ist, ist die Anerkennung der Taten dieser
beiden wichtigen Persönlichkeiten, dieser beiden außergewöhnlichen Persönlichkeiten.
Deswegen werde ich diesen Moment mit der katholischen Kirche teilen, mit unserem Partner
auf der Suche nach Gott und dem Schaffen einer besseren Welt.“
Der
amerikanische Rabbiner Rosenbaum hätte sich von beiden Päpsten nicht mehr wünschen
können, als genau das, was sie für den Dialog zwischen Juden und Christen getan haben.
Das Engagement für den Dialog sieht er als persönliche Odyssee der Päpste, die nicht
nur den Stil dieser beiden außergewöhnlichen Individuen widergespiegelt:
„Wir
reden hier von Evolution, nicht Revolution. Beide sind mutige Individuen. Sie erinnern
mich an Noah: Als Gott Noah im alten Testament beschreibt, spricht er von einem ,großen
Mann in seiner Generation‘. Und sie waren großartig in ihrer Generation und sie haben
es möglich gemacht, dass andere ihrer Spur gefolgt sind und an ihr Werk angeknüpft
haben.. Und das ist ein Zeichen von Größe.“
Was den jüdisch-katholischen
Dialog angeht, sehen beide Rabbiner optimistisch in die Zukunft. Vor nur wenigen Jahren
wäre das so sicherlich nicht gewesen, gibt Rabbi Rosenbaum zu denken:
„Ich
glaube, es ist spektakulär, dass ich, andere Rabbiner und andere Religionsführer hier
in Rom jetzt zusammen gekommen sind, mit Millionen von Menschen und dass wir applaudieren
und lachen und sogar weinen über die Größe dieses Moments. Der nächste Schritt wird
sein, den Dialog an die Basis zu bringen, diese Botschaft der Liebe, der Hoffnung,
der Partnerschaft. Die Menschen müssen es verstehen, sie müssen es fühlen und sie
müssen zusammenarbeiten.“
In Papst Franziskus sehen die beiden
Rabbiner einen starken Partner an ihrer Seite. Rosenbaum ist „tief gerührt“, dass
Papst Franziskus „die beiden großartigen Männer“ gleichzeitig heilig gesprochen hat.
Für den Papstfreund Skorka ist das eine klare Botschaft:
„Franziskus´
Licht und Franziskus´ Feuer kommen von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. – Franziskus
ist Franziskus, in sich selbst, er hat eine besondere Persönlichkeit. Aber jeder von
uns ist nicht nur ein Mensch in sich selbst. Jeder von uns hat und braucht die Inspiration
durch andere. Und ich bin mir sicher, sehr sehr sicher, dass Johannes XXIII. und Johannes
Paul II. Beispiele für ihn sind und dass ihr Licht, ihr Feuer ihn erhellen.“