Papst trifft Argentinier: Gespräch über Exil und Flüchtlinge
Papst Franziskus hat
am Mittwochnachmittag zwei argentinische Landsleute im Vatikan-Gästehaus Santa Marta
empfangen. Das fast einstündige Gespräch drehte sich unter anderem um die Erfahrungen
der beiden Brüder als Flüchtlinge in Schweden. Radio Vatikan war dabei.
Carlos
und Rodolfo Luna heißen die zwei Besucher, Franziskus kannte die Schwiegermutter und
die Frau von einem der beiden: Esther Balestrino De Careaga war in den fünfziger Jahren
seine Vorgesetzte, als er in einem Chemielabor in Buenos Aires arbeitete. „Eine etwas
strenge Frau“, erinnert er sich, aber sie hat ihn tief beeindruckt, davon zeugt auch,
was er im Gesprächsbuch „El Jesuita“ von ihr berichtet. Und ,Estercita‘, die kleine
Ester – mittlerweile nicht mehr am Leben – habe er doch selbst aufwachsen sehen. Plauder-Erinnerungen
eines Pontifex, aber mit ernstem Hintergrund, denn Esther Balestrino war überzeugte
Kommunistin und wurde während des argentinischen Bürgerkriegs ermordet. Jorge Mario
Bergoglio, der jetzige Papst, versteckte damals ihre Bücher, wie er seinen Besuchern
erzählt, und sorgte für ihre Beerdigung in Santa Cruz.
„Jesus war Flüchtling,
kein Tourist“
Bei dem Gespräch am Mittwochnachmittag freut sich der
Papst, dass die zwei Luna-Brüder aus Argentinien Aufnahme in Schweden gefunden haben.
„Wie schön, ein Volk mit einem solchen Herzen zu finden“, sagt er.
„Die
Geschichte, wie ihr in Schweden aufgenommen worden seid, lässt mich daran denken,
dass das Wort Flüchtlinge heute wie ein Schimpfwort gebraucht wird. Wir haben so viele
Flüchtlinge, und keiner will sie: Sie sind ein Schimpfwort. Dabei liegt das Heil eines
Volkes doch vielleicht darin, dass es sich brüderlich um die schart, die ins Exil
gehen mussten? Das bedeutet es doch, ein Bruder zu sein, oder? Wir Christen wissen
genau, dass Jesus ein Flüchtling war, als sie ihn in seiner Kindheit töten wollten.
Das ist eine der ersten Botschaften des Evangeliums: Jesus, der Flüchtling und nicht
der Tourist. Er ging nicht aus Arbeitsplatz-Gründen, er entkam den Häschern! Wie ein
Flüchtling.“
Franziskus erinnert an die Millionen von Flüchtlingen im
Libanon und bedauert, dass viele Länder vor Flüchtlingen ihre Grenzen dichtmachen.
Er spricht von seiner ersten Reise als Papst, die ihn im Sommer vergangenen Jahres
nach Lampedusa führte: auf die Insel vor Sizilien also, an der immer wieder verzweifelte
Bootsflüchtlinge aus Afrika landen.
„Eine Globalisierung der Gleichgültigkeit.
Sie führt dazu, dass wir sagen: Sollen die Flüchtlinge doch sehen, wo sie bleiben!
Auf Lampedusa nimmt die örtliche Bevölkerung sie auf. Sie hat – zusammen mit ihrer
mutigen Bürgermeisterin – verstanden, dass das Aufnehmen ihre Mission ist.“
„Öffnet
euer Herz für den Bruder, die Schwester“
Im restlichen Europa hingegen,
so der Papst in dem Gespräch weiter, würden Flüchtlinge in der Regel keineswegs gut
aufgenommen. Viele landeten auf der Straße, als Diebe aus Not oder als Zwangsprostituierte.
Franziskus lobt die „Eingebung“ des früheren Jesuitengenerals Pedro Arrupe, in Rom
ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge einzurichten, das „Centro Astalli“, das der Papst
vor ein paar Monaten besucht hat.
Auf eine Einladung der zwei Brüder nach
Schweden lässt sich Franziskus nicht so recht ein: „Ich muss so vieles tun“, sagt
er, „ich weiß nicht… Wenn Gott mir die Zeit gibt, dann komme ich.“ Dann reden die
Gesprächspartner über die vier Millionen Einwanderer in Argentinien, unter denen die
meisten aus Paraguay und aus Bolivien stammen. Der Papst hält die Frauen aus Paraguay
für „die heroischsten von ganz Amerika“ und hofft, dass sie eines Tages den Friedensnobelpreis
erhalten „dafür, dass sie ihr Land, ihre Sprache, ihre Kultur und ihren Glauben bewahrt“
haben. Er werde sie für den Preis vorschlagen.
Auch über Fremdenfeindlichkeit
in Europa wird gesprochen, aber nur flüchtig. Das informelle Gespräch macht einmal
mehr deutlich, wie sehr dem Einwanderersohn Bergoglio alias Papst Franziskus die Flüchtlinge
und Vertriebenen am Herzen liegen.
„Das ist die Botschaft: Öffnet euer Herz
für den Bruder, die Schwester, die keinen Platz zum Leben, zum Arbeiten, zum ruhigen
Schlafen haben.“