Warum nicht leerstehende
Klöster für die Unterbringung von Flüchtlingen nutzen? Diesen Vorschlag machte Papst
Franziskus an diesem Dienstag Nachmittag in Rom. In der Nähe des Kapitols besuchte
er privat eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, das so genannte „Centro Astalli“. Es
wird vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst betrieben. In dem Hilfs- und Beratungszentrum
traf er sich mit etwa 500 Flüchtlingen sowie mit den Mitarbeitern und freiwilligen
Helfern.
Mit Beifall und viel Emotionen wurde Franziskus von den Flüchtlingen
und Asylbewerbern empfangen. Soviel freundliche Aufmerksamkeit wie von diesem Papst
sind die Menschen, die mehrheitlich aus Afrika stammen, in Italien sonst gar nicht
gewöhnt. „Jeder von euch, liebe Freunde, trägt eine Lebensgeschichte mit sich herum,
die von Kriegen und Konflikten berichtet“, so Franziskus. „Aber vor allem trägt jeder
von euch einen menschlichen und religiösen Reichtum mit sich: einen Reichtum, den
es anzunehmen, nicht zu fürchten gilt. Viele von euch sind Muslime oder von anderen
Religionen; ihr kommt aus ganz unterschiedlichen Ländern und Lagen. Wir brauchen keine
Angst vor den Unterschieden zu haben! Die Brüderlichkeit läßt uns erkennen, dass diese
Unterschiede ein Reichtum, ein Geschenk für alle sind! Leben wir die Brüderlichkeit!“
„Leben
wir die Brüderlichkeit!“
Die meisten der Flüchtlinge hätten eine schwierige
Reise hinter sich: Franziskus nannte das Stichwort Lampedusa, also die Insel vor Sizilien,
an der immer wieder Bootsflüchtlinge aus Afrika anlanden, er selbst hat Lampedusa
im Juli auf seiner ersten Papstreise besucht. Er denke daran, dass auch Frauen, Mütter,
die lebensgefährliche Überfahrt auf sich nähmen, um ihren Familien ein „anderes Leben“
zu ermöglichen. „Rom sollte eine Stadt sein, in der sich eine menschliche Dimension
wiederfinden läßt: eine Stadt, wo man das Lächeln wieder lernen kann. Aber wie oft
sind stattdessen Menschen hier gezwungen, in prekären, manchmal unerträglichen Verhältnissen
zu leben, ohne ein würdiges Leben starten oder an eine Zukunft denken zu können!“
Darum
danke er den Engagierten hier im „Centro Astalli“; die 1981 gegründete Einrichtung
stützt sich unter anderem auf 400 Freiwillige. „Haltet immer die Hoffnung am Leben!
Helft dabei, Vertrauen wiederzufinden! Zeigt, dass sich mit Aufnahmebereitschaft und
Brüderlichkeit ein Fenster zur Zukunft aufstoßen läßt... mehr als ein Fenster: eine
Tür! Und es ist schön, dass hier mit den Jesuiten christliche und nichtglaubende Männer
und Frauen – oder solche, die anderen Religionen angehören – zusammenarbeiten.“
Solidarität
„fast ein Schimpfwort“
Solidarität sei heute „fast zu einem Schimpfwort
geworden“, beklagte der Papst, dabei sei es „unser Wort“. Die Armen seien „unsere
besonderen Lehrer in der Gotteserkenntnis“, ihre Einfachheit reiße „unserem Egoismus
und unseren falschen Sicherheiten die Maske herunter“. Sie führten uns „zur Erfahrung
der Nähe und Zärtlichkeit Gottes“, so Franziskus.
„Andere aufzunehmen reicht
nicht. Man kann jemandem nicht einfach nur ein Brötchen geben, wenn man ihm nicht
auch die Möglichkeit gibt, mit den eigenen Beinen zu laufen. Eine Nächstenliebe, die
den Armen so läßt, wie er ist, reicht nicht! Wahre Barmherzigkeit, wie Gott sie uns
gibt und lehrt, verlangt nach Gerechtigkeit. Der Arme soll einen Weg finden, kein
Armer mehr zu sein.“
„Mehr Mut und Großzügigkeit“
Integration
von Ausländern sei „ein Recht“, so Franziskus weiter. Hilfe für die Armen dürfe nicht
nur an „Spezialisten“ delegiert werden, die ganze Kirche müsse sich das zur Aufgabe
machen. „Der Herr ruft uns, mehr Mut und Großzügigkeit bei der Aufnahme in Gemeinschaften,
Häusern und auch leerstehenden Klostergebäuden zu haben. Liebe Ordensleute, leerstehende
Klostergebäude sollten nicht dazu dienen, dass man sie zu Hotels macht, um Geld zu
verdienen! Leere Klöster gehören nicht euch, sie sind für das Fleisch Christi bestimmt
– für die Flüchtlinge! Natürlich ist das nichts Einfaches; da braucht man Unterscheidungsvermögen,
Verantwortung, aber eben auch Mut. Wir tun schon viel – vielleicht sind wir dazu gerufen,
noch mehr zu tun!“
Das gelte aber nicht nur für Klöster, sondern für jeden
Einzelnen, mahnte Franziskus. „Jeden Tag stellen sich hier und in anderen Zentren
viele Menschen, vor allem junge, hinten in der Schlange an, um etwas Warmes zu essen
zu kriegen. Diese Menschen erinnern uns an die Leiden und Dramen der Menschheit. Diese
Schlange sagt uns: Jeder kann heute etwas tun. Es reicht, an die Tür zu klopfen und
zu sagen: Hier bin ich, kann ich mich irgendwie nützlich machen?“
Das „Centro
Astalli“ gibt täglich 450 warme Mahlzeiten an Flüchtlinge aus. Die meisten von ihnen
stammen derzeit aus Tunesien, Libyen, Afghanistan, dem Horn von Afrika, Guinea oder
dem Senegal. Das Zentrum unterstützt Migranten bei der Asylbeantragung sowie bei der
Wohnungs- und Arbeitssuche und bietet Italienischkurse an. Der Direktor der Einrichtung,
Jesuitenpater Giovanni La Manna, hatte den Papst kurz nach dessen Wahl eingeladen.
Auch Franziskus gehört dem Jesuitenorden an.