Papst ruft Christen zu neuer „Kultur der Begegnung“ auf
Zu Mut und Geduld
bei der Weitergabe des Glaubens, aber auch zu einer neuen „Kultur der Begegnung“ hat
Papst Franziskus am Samstagabend aufgerufen. Dies sagte er in einer etwa 40-minütigen
freien Ansprache am Vorabend von Pfingsten. Der Papst antwortete auf vier Fragen zu
den Themen Glaubenserfahrung, Neuevangelisierung, „arme Kirche für die Armen“ und
Glaubenszeugnis im Alltag. Mit mehr als 200.000 Mitgliedern neuer geistlicher Gemeinschaften
feierte Franziskus ein großes Glaubensfest auf dem Petersplatz. An dem Wortgottesdienst
im Rahmen des „Jahres des Glaubens“ nahmen Vertreter von 150 Gruppierungen aus aller
Welt teil. Mit dabei waren unter anderen die Fokolar-Bewegung, die Schönstatt-Bewegung,
Pfadfinder, die Gemeinschaft Sant'Egidio oder das Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken.
Organisiert hatte das Treffen der Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung.
In
seiner Ansprache rief Papst Franziskus die Kirche und die Gläubigen auf, eine „Kultur
der Begegnung“ zu entwickeln und einer „Kultur der Trennung, der Fragmentierung und
des Konflikts“ entgegenzutreten.
„Wir erleben grade nicht nur eine Wirtschaftskrise
und wir erleben keine Kulturkrise. Es ist vielmehr eine Krise des Menschen: Der Mensch
ist in der Krise! Was zerstört werden kann, ist der Mensch! Aber der Mensch ist das
Abbild Gottes. Deshalb ist es eine tief greifende Krise. In diesem Moment der Krise
dürfen wir uns nicht nur um uns selbst kümmern und uns in Einsamkeit verschließen,
in Gefühle von Angst und Ohnmacht gegenüber den Problemen.“
Kirche und
Christen dürften sich auch nicht in ihren Gemeinden, in ihren Bewegungen oder im Freundeskreis
verschließen. Eine verschlossene Kirche sei eine kranke Kirche. Vielmehr gehe es darum,
das Evangelium konsequent zu leben und zu bezeugen, so Franziskus.
„Wenn
es den Banken heute schlecht geht oder die Kurse ein bisschen abstürzen, dann schreien
alle: ‚Oh, was für eine Tragödie, was sollen wir jetzt tun?’. Wenn aber Menschen und
Kinder hungern oder krank sind – dann passiert nichts. Das ist die Krise, die wir
heute haben! Und eine ‚arme Kirche für die Armen’, die tritt einer solchen Mentalität
entgegen.“
Zugleich betonte der Papst, dass die Kirche keine politische
Gruppierung sei und auch keine Nichtregierungsorganisation. Sie sei zudem auch nicht
nur auf Effizienz ausgerichtet. Im Vordergrund jeder Neuevangelisierung müsse die
Person Jesu und die Begegnung mit ihm stehen. Der Gläubige müsse sich von Christus
führen lassen und dann die christliche Botschaft glaubwürdig weitervermitteln. Immer
wieder brachte Franziskus die Menge während seiner Ansprache auch zum Lachen, etwa
als er die Pilger „brüderlich rügte“, weil sie ständig „Francesco“ schrien: „ Ruft
doch nicht ständig Francesco, ruft ‚Jesus, Jesus der Herr ist mitten unter uns!’“,
forderte er die Gläubigen auf.
Verkündigt den Glauben mit Mut und Geduld Bei
der Beantwortung der vier Fragen rief Franziskus ebenfalls dazu auf, den christlichen
Glauben mit Mut und Geduld zu verkündigen.
„Heute gibt es mehr Märtyrer
als in den ersten christlichen Jahrhunderten, Brüder und Schwestern von uns. Sie leiden,
sie leben den Glauben bis zum Martyrium. Aber das Martyrium ist nie ein Scheitern,
sondern die höchste Weise des christlichen Zeugnisses. Wir alle gehen einen Weg des
Martyriums, vieler kleiner Martyrien: Auf dieses verzichten, jenes tun.“
Einige
bezeugten ihren Glauben sogar mit dem eigenen Tod, wie zum Beispiel in Pakistan. Der
Papst räumte ein, dass Religion mitunter für politische und soziale Belange missbraucht
werde:
„Man muss klar stellen, dass sehr viele Konflikte keinen religiösen
Ursprung haben. Oft gibt es andere, soziale oder politische Gründe. Die Religion wird
dann missbraucht, und wie Benzin aufs Feuer gegossen. Ein Christ muss aber immer auf
das Böse mit dem Guten Antworten – auch wenn das oft schwierig ist.“
Mit
Nachdruck rief der Papst zum Gebet für die verfolgten und leidenden Christen auf:
Es sei ein Muss, die Religionsfreiheit für alle Religionen zu verteidigen.
Bereits
am Samstagvormittag waren die Teilnehmer - darunter viele Jugendliche und junge Erwachsene
- zum Petersdom gepilgert. Am Nachmittag gab es auf dem Petersplatz ein buntes Programm
mit religiösen Gesängen, Gebeten und vielen „Glaubenszeugnissen“. Vor Beginn des Wortgottesdienstes
fuhr Franziskus unter dem Applaus der Anwesenden eine halbe Stunde lang im offenen
Jeep durch die Menschenmenge.