Rede des Papst an das Diplomatische Corps im Volltext
An diesem Freitagmorgen traf Papst Franziskus das Diplomatische Corps, das beim Heiligen
Stuhl akkreditiert ist, im Vatikan. Wir dokumentieren hier die deutsche Übersetzung
seiner Rede, die Papst Franziskus auf Italienisch hielt.
Exzellenzen, meine
Damen und Herrn,
ich danke Ihrem Dekan, Botschafter Jean-Claude Michel, von
Herzen für die schönen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, und mit
Freude empfange ich Sie zu dieser einfachen, aber zugleich intensiven Begrüßung, die
gleichsam für die Umarmung steht, mit der der Papst die Welt umfängt. Denn durch Sie
begegne ich Ihren Völkern, und so kann ich in gewissem Sinn jeden Ihrer Mitbürger
erreichen, mit seinen Freuden, seinen dramatischen Situationen, seinen Erwartungen,
seinen Wünschen.
Dass Sie so zahlreich erschienen sind, ist auch ein Zeichen
dafür, dass die Beziehungen, die Ihre Länder mit dem Heiligen Stuhl unterhalten, erfolgreich
sind, dass sie wirklich eine Möglichkeit zum Wohl der Menschheit darstellen. Das ist
es ja, was dem Heiligen Stuhl am Herzen liegt: das Wohl eines jeden Menschen auf dieser
Erde! Und genau mit dieser Intention beginnt der Bischof von Rom seinen Dienst, wobei
er weiß, dass er auf die Freundschaft und die Zuneigung der Länder zählen kann, die
Sie vertreten, und die Gewissheit hat, dass Sie diesen Vorsatz teilen. Zugleich ist
es, wie ich hoffe, auch die Gelegenheit, einen Weg zu beginnen mit den wenigen Ländern,
die noch keine diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl unterhalten und von
denen einige, denen ich von Herzen danke, bei der Messe zu meiner Amtseinführung zugegen
waren oder Botschaften als Geste der Verbundenheit gesandt haben.
Wie Sie wissen,
gibt es mehrere Gründe, warum ich bei der Wahl meines Namens an Franziskus von Assisi
gedacht habe – eine Persönlichkeit, die über die Grenzen Italiens und Europas hinaus
und auch bei denen, die nicht den katholischen Glauben bekennen, wohlbekannt ist.
Einer der ersten Gründe ist die Liebe, die Franziskus zu den Armen hatte. Wie viele
Arme gibt es noch in der Welt! Und welchen Leiden sind diese Menschen ausgesetzt!
Nach dem Beispiel des heiligen Franziskus von Assisi hat die Kirche immer versucht,
sich in jedem Winkel der Erde um die Notleidenden zu kümmern, sie zu behüten, und
ich denke, dass Sie in vielen Ihrer Länder das großherzige Wirken jener Christen feststellen
können, die sich engagieren, um den Kranken, den Waisen, den Obdachlosen und allen
Ausgegrenzten zu helfen, und die so daran arbeiten, menschlichere und gerechtere Gesellschaften
aufzubauen.
Doch es gibt auch noch eine andere Armut! Es ist die geistliche
Armut unserer Tage, die ganz ernstlich auch die Länder betrifft, die als die reichsten
gelten. Es ist das, was mein Vorgänger, der liebe und verehrte Benedikt XVI., „Diktatur
des Relativismus“ nennt und was jeden sein eigener Maßstab sein lässt und so das Zusammenleben
unter den Menschen gefährdet. Und damit komme ich zu einem zweiten Grund für meinen
Namen. Franziskus von Assisi sagt: Arbeitet, um den Frieden aufzubauen! Aber es gibt
keinen wahren Frieden ohne Wahrheit! Es kann keinen wahren Frieden geben, wenn jeder
sein eigener Maßstab ist, wenn jeder immer und einzig sein eigenes Recht einfordern
kann, ohne sich gleichzeitig um das Wohl der anderen – aller – zu kümmern, angefangen
von der Natur, die alle Menschen auf dieser Welt verbindet.
Einer der Titel
des Bischofs von Rom ist Pontifex, das heißt Brückenbauer – Brücken zu Gott und zwischen
den Menschen. Ich wünsche mir wirklich, dass der Dialog zwischen uns dazu beiträgt,
Brücken zwischen allen Menschen zu bauen, so dass jeder im anderen nicht einen Feind,
einen Konkurrenten sieht, sondern einen Bruder, den er annehmen und umarmen soll!
Außerdem drängt mich meine eigene Herkunft dazu, Brücken zu bauen. Wie Sie wissen,
kommt ja meine Familie aus Italien; und so ist in mir stets dieser Dialog zwischen
Orten und Kulturen lebendig, die voneinander entfernt sind – zwischen dem einen und
dem anderen Ende der Erde, die heute einander immer näher rücken, voneinander abhängig
sind, es nötig haben, einander zu begegnen und wirkliche Räume echten Miteinanders
zu schaffen.
Grundlegend in diesem Werk ist auch die Rolle der Religion. Man
kann nämlich keine Brücken zwischen den Menschen bauen, wenn man Gott vergisst. Doch
es gilt auch das Gegenteil: Man kann keine wahre Verbindung zu Gott haben, wenn man
die anderen ignoriert. Darum ist es wichtig, den Dialog zwischen den verschiedenen
Religionen zu verstärken – ich denke besonders an den mit dem Islam –, und ich habe
die Anwesenheit vieler ziviler und religiöser Autoritäten der islamischen Welt bei
der Messe zu meiner Amtseinführung sehr geschätzt. Und es ist auch wichtig, die Gegenüberstellung
mit den Nichtgläubigen zu intensivieren, damit niemals die Unterschiede, die trennen
und verletzen, überhand nehmen, sondern bei aller Verschiedenheit doch der Wunsch
überwiegt, wahre Bindungen der Freundschaft zwischen allen Völkern zu aufzubauen.
Die materielle wie die geistliche Armut bekämpfen, Frieden schaffen und Brücken
bauen – das sind gleichsam die Bezugspunkte eines Weges, den mitzugehen ich jedes
der Länder, die Sie vertreten, einlade. Das ist jedoch ein schwieriger Weg, wenn wir
nicht immer mehr lernen, diese unsere Erde zu lieben. Auch in diesem Fall hilft es
mir, an den Namen Franziskus zu denken, der eine tiefgreifende Achtung gegenüber der
gesamten Schöpfung und die Bewahrung dieser unserer Umwelt lehrt, die wir leider allzu
oft nicht zum Guten gebrauchen, sondern sie gierig ausbeuten zum gegenseitigen Schaden.
Liebe
Botschafter, meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen nochmals für all die
Arbeit, die Sie in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat vollbringen, um Frieden
zu schaffen und Brücken der Freundschaft und des Miteinanders zu bauen. Über Sie möchte
ich Ihren Regierungen noch einmal meinen Dank übermitteln für ihre Teilnahme an den
Festlichkeiten anlässlich meiner Wahl, in der Vorausschau auf eine fruchtbare gemeinsame
Arbeit. Der allmächtige Herr erfülle jeden von Ihnen, Ihre Familie und die Völker,
die Sie vertreten, mit seinen Gaben.