Papst beim Angelus: Petersplatz hat Dimension der Welt
Die Stadt Rom hatte
an diesem Sonntag mit zwei Großereignissen zu kämpfen: Nicht nur der erste Angelus
des neuen Papstes lockte seit den frühen Morgenstunden Pilger aus aller Herren Länder
auf den Petersplatz, sondern auch der große Stadtmarathon, der in der Nähe des Vatikans
vorbeiführte, sorgte für zusätzliches Verkehrschaos in der ohnehin schon recht chaotischen
Stadt. Doch trotz der weiträumigen Umleitung der Buslinien, die in Vatikannähe führen,
haben rund 150.000 Pilger teils längere Fußmärsche und akribische Kontrollen an den
Eingängen zum Petersplatz auf sich genommen, um bei Papst Franziskus´ erstem Angelus-Gebet
dabei zu sein - weitere zehntausende Pilger säumten die Via della Conciliazione, die
auf den Peterplatz zuführt. Überpünktlich um kurz vor 12 Uhr ließ sich der Papst,
der noch vor wenigen Minuten an den Eingangstoren des Vatikans sein erstes Bad in
der Menge genommen hatte, am Fenster seines zukünftigen Arbeitszimmers blicken. Er
nahm die Worte aus seiner eben gehaltenen Predigt wieder auf und erinnerte an die
unermüdliche Barmherzigkeit Gottes.
„Brüder und Schwestern, guten Tag!
Nach dem Treffen am vergangenen Mittwoch kann ich heute wieder meinen Gruß an alle
richten und ich freu mich, dass ich das am Sonntag, dem Tag des Herren, tun kann.
Es ist wichtig für uns Christen, uns am Sonntag zu treffen, uns zu grüßen, miteinander
zu sprechen, wie jetzt auf dem Platz, ein Platz, der dank der Medien die Dimension
der gesamten Welt hat. An diesem fünften Fastensonntag stellt uns das Evangelium die
Ehebrecherin vor, die Christus vor der Todesstrafe rettet. Das Verhalten Jesu beeindruckt
uns, wir hören keine Worte der Verachtung, wir hören keine Worte der Verurteilung,
sondern nur Worte der Liebe und der Barmherzigkeit, die zur Umkehr einladen. […] Habt
ihr an die Geduld Gottes gedacht, die er für jeden von uns hat? Das ist die Barmherzigkeit,
er hat immer Geduld, Geduld mit uns, er versteht uns, er wartet auf uns, er wird dessen
nicht müde, uns zu vergeben, wenn wir es verstehen, zu ihm zurückzukehren mit einem
reuigen Herzen. Groß ist die Barmherzigkeit Gottes, besagt der Psalm.“
Ihm
habe, so der Papst, insbesondere ein Buch, das er in den vergangenen Tagen gelesen
habe, gutgetan:
„In diesen Tagen habe ich ein Buch eines Kardinals lesen
können, von Kardinal Kasper, ein großartiger Theologe, ein guter Theologe, über die
Barmherzigkeit. Und dieses Buch hat mir sehr gut getan – denkt aber nicht, dass ich
Werbung für die Bücher meiner Kardinäle mache, so ist das nicht - aber es hat mir
sehr gut getan. Kardinal Kasper sagte, dass das Spüren der Barmherzigkeit, dieses
Wort, alles ändert, es ist das Beste, was wir spüren können. Es ändert die Welt, ein
wenig Barmherzigkeit macht die Welt weniger kalt und richtiger. Wir müssen die Barmherzigkeit
Gottes gut verstehen, dieses barmherzigen Vaters, der soviel Geduld hat. Denken wir
an die Worte des Propheten Jesaja, der feststellt, dass auch, wenn unsere Sünden rot
wären wie Scharlach, die Liebe Gottes sie weiß machen würde wie den Schnee. Das ist
das Schöne an der Barmherzigkeit.“
Papst Franziskus ließ die Pilger auch
an einer Episode teilhaben, die er als Bischof im Jahre 1992 anlässlich einer Messe
für die Kranken in Buenos Aires erlebt hatte:
„Ich habe die Beichte abgenommen.
Und fast am Ende der Messe bin ich aufgestanden, denn ich musste eine Firmung vornehmen,
und da kam eine sehr einfache alte Frau zu mir, über 80 Jahre alt. Und ich habe sie
angeschaut und gesagt, „Großmutter“ – denn bei uns sagt man Großmutter zu den alten
Frauen – „Großmutter, wollen sie etwa beichten?“ und sie sagte: „Ja“, und ich sagte
zu ihr: „Aber Sie haben doch nicht gesündigt!“ Und daraufhin sagte sie: „Alle haben
wir gesündigt“. „Aber vielleicht wird der Herr Ihnen nicht vergeben!“, sagte ich zu
ihr. Und sie antwortete mir: „Der Herr vergibt alles, ganz sicher!“ und ich sagte,
„Aber wie wissen Sie das?“ „Wenn der Herr nicht alles vergeben würde, würde die Welt
nicht existieren“, war ihre Antwort. Ich habe in mir Lust verspürt, sie zu fragen,
ob sie an der Gregoriana studiert habe, denn das ist die Weisheit, die der Heilige
Geist eingibt, die innere Weisheit auf die Barmherzigkeit Gottes hin.“
Die
Geduld Gottes, seine Barmherzigkeit seien unerschöpflich, so der Papst:
„Vergessen
wir dieses Wort nicht; Gott wird nie müde, uns zu vergeben, nie! Also Vater, was ist
das Problem? Das Problem ist, dass wir selbst müde werden, um Vergebung zu bitten.
Er wird nie müde, uns zu vergeben. Aber wir werden manchmal dessen müde, um Vergebung
zu bitten. Mögen wir dessen nie müde werden! Er ist der liebende Vater, der immer
vergibt, der dieses barmherzige Herz für alle von uns hat. Und auch wir mögen lernen,
barmherzig zu allen zu sein. Erbitten wir die Fürsprache Marias, die in ihren Armen
die Barmherzigkeit Gottes hatte, die Mensch geworden ist.“
Das rote Banner,
das während der Ansprache unter dem Fenster sichtbar war, trug noch kein päpstliches
Wappen. Nach dem Angelus grüßte der Papst nochmals die Pilger aus Italien und aller
Welt, die sich zu den römischen Gemeindemitgliedern gesellt hatten, und bat sie um
ihr Gebet für sich. Anschließend erklärte er kurz, dass sein nach dem Patron von Italien
gewählter Name „Franziskus“ auch Ausdruck seiner Verbundenheit mit dem Vaterland seiner
Vorfahren sei – doch Christus habe alle berufen, Teil einer neuen, großen Familie
zu sein: der Kirche.
Der Papst hatte seine gesamte Ansprache auf Italienisch
gehalten.