Zum ersten Mal findet am 20. März in der katholischen Kirche der Schweiz ein
„Dies judaicus“ statt – ein Tag des Judentums. So etwas gibt es schon in einigen anderen
Ländern jeweils am 17. Januar, dem Holocaust-Gedenktag. Die Schweizer wollen einen
anderen Weg gehen.
Er ist einer der geistigen Väter des helvetischen Dies judaicus:
Christian Rutishauser, Mitglied der Dialogkommission von Schweizer Bischöfen und Israelitischem
Gemeindebund. Immer wieder hat der Jesuitenpater in den letzten Jahren für das Einführen
eines Dies judaicus auch in der Schweiz getrommelt. Sowas gibt es schon in Italien,
den Niederlanden, Polen und Österreich:
„Die haben alle den 17. Januar genommen.
Die Schweiz hat sich hingegen entschieden, einen Sonntag zu nehmen, weil da einfach
mehr Leute erreicht werden, und es auch besser an die Liturgie zu binden.“
Die
Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum hat allen Ortskirchen
empfohlen, einen eigenen Tag des Judentums einzurichten – für diese Idee hatten sich
u.a. Israels Oberrabbiner einmal in einem Gespräch mit dem früheren Papst Johannes
Paul II. eingesetzt.
„Der Zweck ist, die Verbindung zum Judentum zum Ausdruck
zu bringen und vor allem das Anliegen von „Nostra Aetate“ wirklich breit in der Kirche
und im Bewußtsein der Christen zu verankern.“
„Nostra Aetate“, das ist
die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die 1965 die Tür zu einer neuen Beziehung
zwischen Katholiken und Juden aufgestoßen hat. Rutishauser fasst die Quintessenz des
Konzilsdokuments so zusammen:
„Dass auf der einen Seite das Judentum die
Wurzel des Christentums darstellt - aber nicht nur historisch gesehen, sondern dass
der jüdische Glaube und die jüdische Existenz bis heute eine Glaubensweise ist, die
für Christen eine Bedeutung hat. Weil der Alte Bund nicht einfach aufgelöst wurde
von Gott, sondern weil er neben bzw. mit dem Neuen Bund besteht, den wir in Jesus
Christus haben.“
Nein, das sei kein Versuch zur Wiedergutmachung für das
vielfältige Unrecht, das Christen im Lauf der Geschichte Juden angetan hätten – vielmehr
gehe es darum, die vom Konzil grundgelegte neue Freundschaft zum Judentum zu pflegen.
Auch in der Schweiz.
„Am 20. März wird es so sein, dass die Menschen in
den Pfarreien aufgerufen sind, im Gottesdienst den Dies judaicus zu benennen; wir
haben Predigthilfen zur Verfügung gestellt, so dass gerade die alttestamentliche Lesung
und das Evangelium wirklich ausgelegt werden im Zusammenhang mit der jüdischen Auslegung.“
Die
alttestamentliche Lesung wird am 20.3. aus dem 15. Kapitel der „Genesis“ genommen:
Gottes Bund mit Abraham. Dazu bietet die Predigthilfe eine Auslegung aus dem frühen
Judentum – Zitat: „Gott sprach, es werde Licht, und es ward Abraham.“
„Dadurch
gibt es gerade eine Möglichkeit zu zeigen, dass diese Texte christlich interpretiert
werden können und dass die jüdische Interpretation dazu eine Bereicherung darstellt
– bzw., dass es überhaupt noch eine andere Auslegung dazu gibt.“
Eigene
Fürbitten gibt es am Schweizer Dies judaicus auch – sie beginnen so: „Gott Abrahams,
Isaaks und Jakobs, Gott des Mose und der Propheten, Gott Jesu Christi... hilf uns,
die eigene christliche Berufung im Angesicht des Judentums tiefer zu verstehen.“
„Wenn
der Tag dann etwas eingeführt ist, geht man davon aus, dass in anderen Jahren auch
Vorträge, Veranstaltungen zu diesem Tag organisiert werden.“
Eines stehe
aber fest: Der Dies judaicus werde immer eine katholische Veranstaltung sein.
Er soll, so formuliert Rutishauser, „wirklich den Katholiken zeigen, dass sie eine
Verbindung zum Judentum haben“.
„Das heißt, es werden sicher später auch
Jüdinnen oder Juden zu Vorträgen, vielleicht sogar mal in den Gottesdienst oder zu
einer Predigt eingeladen, aber es ist kein Tag, an dem auch im jüdischen Leben etwas
gefeiert würde, sondern es ist ein Tag für die katholische Kirche.“
Und
ein weiteres steht auch fest: Nein, die Juden in der Schweiz werden nicht zur Kompensation
eine Art Dies catholicus einführen, erläutert der Jesuit. Etwas „Paralleles“ werde
es nicht geben:
„Weil die Beziehung zwischen Judentum und katholischer Kirche
nicht einfach etwas Symmetrisches ist. Aber wir fordern das Judentum immer wieder
dazu auf, auch wirklich das Christentum und gerade auch die Art und Weise, wie die
katholische Kirche seit dem Konzil das Judentum wahrnimmt, noch einmal zu präsentieren
und ihren Gläubigen näherzubringen.“
Die Beziehungen zwischen katholischer
Kirche und Judentum in der Schweiz seien gut – in dieser Hinsicht sei gerade in den
letzten Jahren eine, wie Rutishauser findet, „solide Arbeit“ geleistet worden.
„Die
Irritationen, die verursacht wurden durch die Neuformulierung der Karfreitags-Fürbitte
für den Außerordentlichen Ritus und die Affäre Williamson haben natürlich auch in
der Schweiz einige Wellen geschlagen, es gab Diskussionen dazu. Doch alles in allem
waren die Beziehungen so gut, dass die persönlichen Freundschaften vor Ort das auffangen
konnten.“
Die offizielle Kommission der Schweizer Bischofskonferenz und
des Israelitischen Gemeindebundes tage zweimal im Jahr:
„Da ist eigentlich
eine sehr gute Kontinuität da!“
(rv 04.03.2011 sk)
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