Die Art, wie Papst
Benedikt XVI. die Heilige Messe feiert, unterscheidet sich von der seines Vorgängers.
Für die Umsetzung des Ratzingerschen Liturgieverständnisses in die Praxis eines Papstgottesdienstes
sorgt der Päpstliche Zeremonienmeister. Und Benedikt XVI. hat sich einen neuen gesucht:
Guido Marini ist seit einem Jahr im Amt, am 2. November 2007 gestaltete er seinen
ersten Papstgottesdienst. Gudrun Sailer bat aus diesem Anlass Guido Marini vors Mikrofon.
Monsignor Marini, wie würden Sie den liturgischen Stil von Papst Benedikt definieren? Das
ist keine einfache Frage, weil der liturgische Stil sowohl die äußere als auch die
innere Dimension des Zelebrierens umfasst - und natürlich das jeweilige Liturgieverständnis.
Ich denke, der liturgische Stil Papst Benedikts betont sowohl die rechte Nüchternheit,
die seit jeher die römische Liturgie kennzeichnet, als auch den Sinn für das Mysterium
und das Heilige. Und dann sehe ich eine starke Hinwendung zum Herrn, der schließlich
in jedem Moment des Zelebrierens anwesend ist. Im Lauf der Monate bekamen
die Gläubigen bei den Papstmessen nach und nach liturgische Elemente zu Gesicht, die
sie lange nicht gesehen hatten: alte goldgewirkte Messgewänder und Mitren, das Kreuz
in der Mitte des Altares, Mundkommunion für alle, die den Leib des Herrn aus den Händen
des Papstes empfangen; beim Fest der Taufe des Herrn in der Sixtinischen Kapelle zelebrierte
Papst Benedikt „ad orientem“, und seit Palmsonntag trägt er einen Kreuzstab aus dem
19. Jahrhundert, während der moderne Kreuzstab Papst Paul VI. zurück in die päpstliche
Sakristei wanderte. Sind diese Elemente nun definitiv für die Papstmesse? Ich
würde sagen – ja, zumindest gilt das für einige der bedeutendsten Elemente, die in
diesem Jahr eingeführt wurden; einige davon haben Sie eben genannt. Bleiben
wir kurz beim Kreuzstab. Der moderne Stab aus den 60-er Jahren mit der Figur des Gekreuzigten
darauf war vielen Gläubigen zum gewohnten Bild geworden. Warum benutzt Papst Benedikt
nun einen älteren, vergoldeten Kreuzstab? Der Heilige Vater suchte einen Hirtenstab,
der leichter sein sollte als der von Paul VI. - also haben wir dem Heiligen Vater
gezeigt, was wir in der Päpstlichen Sakristei im Moment zur Verfügung haben. Dort
gibt es diverse Stäbe, freilich die meisten von Bischöfen oder Kardinälen und nur
zwei oder drei von Päpsten. Aus diesen hat Benedikt dann den aktuellen Kreuzstab ausgewählt.
Der Ausgangspunkt war also eine ganz praktische Frage!
Im Mittelpunkt eines
jeden Gottesdienstes steht nicht der Priester, und das heißt: auch nicht der Papst,
sondern der auferstandene Christus. Kritiker meinen nun, dass einige dieser neuen
Elemente die Gläubigen eher ablenken, statt ihnen dabei zu helfen, sich auf das Wesentliche
zu konzentrieren. Das viele Gold und die Spitzen seien zu auffällig, so heißt es,
besser wären ganz einfach gestaltete liturgische Instrumente und Gewänder, die die
Zelebranten praktisch unsichtbar machen. Wie stehen Sie dazu? Ich glaube nicht,
dass diese Elemente ablenken. Natürlich ist darauf zu achten, dass der Herr im Mittelpunkt
bleibt. Die Gefahr der Ablenkung besteht immer, und deshalb braucht es eine Erziehung,
die immer in den Mittelpunkt zurückführt. Doch alles, was in der Liturgie, auch in
ihren Details, Schönheit, Harmonie und Pracht vermittelt, lenkt nicht vom Geheimnis
Gottes ab, sondern hilft geradezu, ihn zu treffen, der unendliche Schönheit ist.
Inwieweit
regt Papst Benedikt selbst Änderungen in seinen Gottesdiensten an? Oder sind Sie es,
der sie ihm vorschlägt? Um die Wahrheit zu sagen: In dieser Zeit, in der ich
die Gnade hatte, dem Heiligen Vater nahe zu sein, ist es nicht so, dass ich von Mal
zu Mal Anweisungen von ihm erhalten hätte. Es ist eher ein Gespräch, ein Meinungsaustausch,
eine Zusammenarbeit. Meinerseits versuche ich dem Papst liturgische Elemente vorzuschlagen
und zu unterbreiten. Er wägt das Für und Wider ab, bekundet seine Ansicht und gibt
eine Orientierung, die dann klarerweise befolgt wird. Zum Beispiel? Sie
haben vorhin einige “Neuerungen”, unter Anführungszeichen, in der Liturgie benannt.
Zum Beispiel also die Kommunion: Wer sie aus den Händen des Papstes empfängt, empfängt
sie im Knien. Diesen Vorschlag hat der Heilige Vater aufgegriffen und seine diesbezüglichen
Anordnungen getroffen. Nicht wenige Gläubige, zumal in westlichen Ländern,
sträuben sich gegen die Mundkommunion, auch aus hygienischen Gründen. Wird die Mundkommunion
die Norm in der Eucharistiefeier werden?
Die Frage nach der Modalität
der Kommunionspendung kann ich nicht beantworten. Ich kann aber sagen, dass die Entscheidung,
in den Papstmessen die Mundkommunion zu verwenden, getroffen wurde, um ein allgemeines
Prinzip zu bestätigen. Nämlich dass die Mundkommunion die gewöhnliche Form der Kommunionspendung
ist. Die Praxis der Handkommunion ist ein Indult (eine Ausnahme von der universalen
Regel der Kirche, Anm.) des Heiligen Stuhles an jene Bischofskonferenzen, die darum
gebeten hatten.
Worin liegt der tiefere Sinn der Mundkommunion? Diese
Modalität hebt den Sinn der realen Präsenz des Herrn in der Eucharistie hervor. Somit
hilft sie den Gläubigen, sich dem Geheimnis der eucharistischen Kommunion mit größerer
Hingabe anzunähern - ohne den Werten Abbruch zu tun, die gewiss auch die Handkommunion
hat. Im Übrigen bestehen die beiden Formen in den Papstgottesdiensten nebeneinander:
Einige Gläubige empfangen sie in den Mund, andere in die Hand.
Im Juli
2007 hat Papst Benedikt XVI. mit seinem Motu Proprio „Summorum Pontificium“ die „außerordentliche“
Form des Römischen Messritus auf breiter Basis wieder zugelassen. Worin sehen Sie
die Stärken der Alten Messe? Sie trägt in sich die Kraft der Tradition der
Kirche. Und sie bringt es zuwege, einen tiefen Sinn für das Sakrale, das Heilige zu
kommunizieren, was immer ein wichtiges Element der liturgischen Feier ist.
Und
die Stärken der „ordentlichen“ Messform? Ich glaube, die Stärke der Liturgiereform
durch Paul VI. liegt darin, dass die Liturgie von dem Staub und der Asche befreite,
die sich im Lauf der Zeit auf ihr angesammelt hatte. Insofern ist diese Liturgiereform
ein Segen gewesen, eine Gabe, die mit großer Dankbarkeit vom Herrn anzunehmen ist.
Gewiss, wenn diese Reform, wie es in einigen besonderen Fällen geschehen ist, zum
Missbrauch wird, zur Entstellung, zum Verrat an der großen liturgischen Tradition
der Kirche, dann büßt sie ihren Reichtum ein.
Wie kann es gelingen, im
Gottesdienst einen Sinn fürs Mysterium zu begünstigen? Ich denke, das ist
eine Frucht des Verstehens dessen, was die liturgische Feier ist, was das Geheimnis
ist, das zelebriert wird. Wenn man sich wirklich bewusst ist, dass der Protagonist
der Herr ist, das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, das erneuerte Heil
für die Welt, kann man die Dimension des Heiligen überhaupt nicht übersehen. Es handelt
sich deshalb, so meine ich, darum, ins Herz der Feier zurückzukehren.
Würden
Sie mehr Latein in dem Papstgottesdiensten begrüßen? Ich muss sagen, in den
Papstgottesdiensten gibt es bereits Latein in vielen Teilen. Mir scheint da ein ganz
gutes Gleichgewicht erreicht zu sein. Auf diese Art unterstreicht der Papstgottesdienst
die Bedeutung des Lateinischen in der Feier und gleichzeitig die Bedeutung der lokalen
Sprachen dort, wo es angemessen ist.
Monsignor Marini, Sie sind Jahrgang
1965 und damit unter der jüngsten Generation der Priester in Diensten des Heiligen
Stuhles. Im Jahr Ihrer Priesterweihe 1989 war die Liturgiereform bereits abgeschlossen.
Heute beobachten wir in der katholischen Kirche eine neue Debatte über die Liturgie,
oft in ziemlich aggressiven Tönen. Welchen Eindruck haben Sie davon? Als ich
geboren wurde, war man im II. Vatikanischen Konzil gerade mit der Abfassung der Konstitution
„Sacrosanctum concilium“ beschäftigt. Das, was heute der „außerordentliche Ritus“
ist, habe ich also nicht direkt erlebt. Ich muss sagen, gelegentlich nehme ich diese
lauten Töne in der Liturgiedebatte schon mit etwas Überraschung zur Kenntnis. Auch
weil ich denke, dass gerade die Liturgie ein Grund zur Einheit und nicht zur Spaltung
sein sollte. Ich glaube aber, in dem Maß wie man ideologische Sichtweisen ablegt und
stattdessen demütig und aufmerksam zuhört, was die Kirche und das Lehramt des Papstes
in diesem Punkt zu sagen haben, können wir zu Einheit und Gelassenheit zurückfinden.
Natürlich schreiten wir voran – denn man muss immer voran schreiten, man kehrt niemals
zurück - aber ohne die große Tradition der Kirche aus den Augen zu verlieren. Deshalb
wünsche ich mir wirklich, dass es Gelassenheit geben möge, fortzufahren mit einer
Entwicklung in der Kontinuität.