Der Vatikan befürwortet
unter bestimmten Bedingungen Atomenergie. Kardinal Renato Raffaele Martino, päpstlicher
„Friedensminister“, mahnte im Gespräch mit Radio Vatikan zu einer „sachlichen öffentlichen
Debatte“ über die friedliche Nutzung von nuklearen Energiequellen.
„Bei
der nötigen Vorsicht ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass man Atomwaffen
in nukleares Material für die Energiegewinnung umwandelt, um dann insbesondere Entwicklungsländern
zu helfen. Natürlich ist die Sorge um die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen
und des Planeten mehr als legitim, gerade wenn wir an Atomkatastrophen wie in Tschernobyl
denken oder den jüngsten Zwischenfall nach dem Erdbeben in Japan im Kernkraftwerk
von Kashiwazaki-Kariwa. Und doch: Wenn die Sicherheit der Anlagen und der Lagerung
garantiert sind, wenn Produktion, Verteilung und Verkauf der Atomenergie streng geregelt
sind, dann scheint mir, dass die Voraussetzungen für eine „integrierte“ Energiepolitik
da sind. Mit diesen Voraussetzungen bildet die Atomenergie eine Form der sauberen
Energie. Auch scheint mir, dass eine sachliche öffentliche Debatte über Atomenergie
mehr denn je nötig ist in diesem historischen Moment, in dem die Staaten diese Energiequelle
in Betracht ziehen.“
Beim Angelusgebet am Sonntag hatte Papst Benedikt
XVI. nicht nur die Hoffnung auf eine baldige Beseitigung der Atomwaffen geäußert,
sondern auch auf die Vorteile einer friedlichen Nutzung der Nukleartechnologie hingewiesen.
Anlass für seine Äußerungen war der 50. Gründungstag der Internationalen Atomenergie-Behörde
(IAEA). Diese überwacht weltweit die friedliche Nutzung von Kernkraft und fördert
ihre zivile Verwendung. Der Heilige Stuhl war 1957 Gründungsmitglied der IAEA und
hat seither einen Gesandten beim Sitz der Behörde in Wien. Benedikt XVI. zeigte sich
seit den Anfängen des Pontifikates für die Atomfrage „empfänglich“, sagt Kardinal
Martino:
„In den ersten beiden Botschaften für den Weltfriedenstag behandelte
der Papst verschiedene Aspekte der Nukleartechnologie. Neben den pastoralen Aktivitäten
der Kirche ist aber auch der diplomatische Einsatz des Heiligen Stuhls wichtig. Einerseits
müssen Sicherheit und Frieden verteidigt werden, andererseits die Entwicklung der
Völker sichergestellt sein. Und unter diesem Aspekt muss man die nuklearen Ambitionen
nicht nur von Staaten wie Iran oder Nordkorea betrachten, sondern man muss auch die
Mächte außerhalb des Atomwaffensperrvertrags (NPT) wie Indien, bestimmte westliche
Staaten und die ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates einbinden.“
Der
Heilige Stuhl wendete sich stets gegen die nukleare Aufrüstung. Letztlich mache das
seine Präsenz in der Internationalen Atomenergie-Behörde so wichtig. Der Heilige Stuhl
habe klare Ziele, erklärt Martino: Frieden und den Schutz der Menschheitsfamilie.
Und darum setze er sich auf internationaler Ebene für die generelle Abrüstung ein,
die, wie es im „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ formuliert sei, kontrolliert
und ausgeglichen von statten gehen müsse. Abrüstung - nicht nur auf atomarem Gebiet,
sondern auch im Hinblick auf biologische, chemische und herkömmlichen Waffen, betont
Martino. In diesem Kontext müssten die Arbeit und die Bedeutung des Heiligen Stuhls
als Gründungsmitglied der IAEA betrachtet werden. Die Mitgliedschaft ermögliche dem
Heiligen Stuhl, das Ziel der Abrüstung aus nächster Nähe zu fördern und Forschung
zur friedlichen Nutzung nuklearer Technologien zu unterstützen, betont der Präsident
des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden.