2017-11-24 12:22:00

Gewalt gegen Frauen – ein alltägliches Übel


Ob häusliche Gewalt, Prostitution oder Menschenhandel - Gewalt gegen Frauen spielt sich jeden Tag mehr oder weniger vor unseren Augen ab. Keine Frau ist davor gefeit. Die Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl hat am Donnerstag eine Podiumsdiskussion mit NGOS, Politik- und Kirchenvertretern veranstaltet. Im Anschluss wurde der Film „Unter aller Augen“ von Claudia Schmid gezeigt. Die Veranstaltung stand im Zeichen des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November.

„Und Gott, der HERR, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. […] Da ließ Gott, der HERR, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so dass er einschlief. Und er nahm eine von seinen Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch; und Gott, der HERR, baute die Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, zu einer Frau, und er brachte sie zum Menschen.“

So reflektiert die zweite Schöpfungsgeschichte retrospektiv die Erschaffung der Frau. Was, die Frau soll also nur eine Rippe sein? Im Dokumentarfilm von Claudia Schmid fühlt sich ein Mann aus dem Kongo dadurch in seinem Urteil bestätigt, dass Frauen minderwertig seien.

Was sagt das über die Strukturen aus, die der Gewalt gegen Frauen zugrunde liegen? Unterdrückung von Frauen und Gewalt gegen Frauen scheinen sich auf unheilvolle Weise zu bedingen. Wie sieht das Verhältnis zwischen Gleichberechtigung von Mann und Frau einerseits und Gewalt gegen Frauen andererseits aus? Wir haben Karin Nordmeyer, Vorsitzende des Deutschen Komitees für UN Women, danach gefragt.

„Gleichberechtigung von Frauen kann nicht funktionieren, solange Gewalt an Frauen beweist, dass Frauen weniger wert sind. Wenn wir das Hindernis wegbekämen, dass Gewalt hauptsächlich Frauen angetan wird, wären wir auf dem besseren Weg, eine Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erreichen.“

Bischof Vincenzo Paglia, Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, vertritt einen deutlich versierteren Interpretationsansatz der zweiten Schöpfungsgeschichte. Man braucht nur ein paar Zeilen weiterzulesen, um zu sehen, dass der zweite Schöpfungsbericht in der Einheit von Mann und Frau kulminiert: „Sie werden zu einem Fleisch“. Paglia betonte in seinem Beitrag die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Das heiße jedoch nicht, dass Adam besser als Solitär gelebt hätte. Der Mensch kann nicht für sich sein, er ist sich selbst nie genug. Daher ist er auf einen komplementären Gegenpart angewiesen, ein gleichwertiges Anderes: „Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch.“ Gemeinsam bilden Mann und Frau eine Einheit.

Aber Gewalt gegen Frauen ist kein Problem der Bibelexegese. Der Mann aus dem Kongo hätte sich sein Urteil auch ohne die Bibel gebildet. Kulturelle und soziale Konditionierung spielen dabei eine Rolle. Gewalt gegen Frauen wird sowohl in den sogenannten Ländern der Dritten Welt ausgeübt als auch in westlichen Gesellschaften, auch in Deutschland. Doch die gesellschaftliche Wertschätzung von Frauen ist in Deutschland doch quasi Konsens. Ein Widerspruch? Dazu Karin Nordmeyer:

„Was auch der Monsignore ganz eindeutig sagte, ist die Tatsache, dass der Egozentrismus oder die Sensationsgier oder das Machtstreben von Männern oder die genetische Disposition von Männern dem Gesamten noch im Wege steht. Auch in den sogenannten aufgeklärten Gesellschaften haben wir noch einen weiten Weg zu gehen, um Männern klar zu machen, dass Gewalt gegen Frauen kein Mittel der Wahl ist.“

Auch wenn die Strukturen von Gewalt gegen Frauen in den verschiedenen Ländern der Erde ähnlich sind, unterscheiden sich doch die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Nicht immer ist es überhaupt möglich, rechtliche Schritte einzuleiten. Gesetze spiegeln den Reifegrad einer Gesellschaft wieder. Aber können Gesetze auch einen Reifungsprozess anstoßen? Dazu sagt Karin Nordmeyer:

„In 156 Staaten haben wir Gleichberechtigungsgesetze, aber Gewalt gegen Frauen ist noch in mindestens 100 Ländern kein krimineller Rechtstatbestand. Eine Zahl dazu hat das Bundeskriminalamt bekanntgegeben: In Deutschland  tötet jeden zweiten Tag ein Partner seine Partnerin. Ich bin fest davon überzeugt: Wir brauchen die Gesetzeslage und die Umsetzung des Gesetzes. Wir können Tatbestände, die wir bemerken, nicht verändern, ohne dass wir etwas dagegen tun. Aber wir brauchen die Rechtsgrundlage, dass dieses Tun auch eine Wirkung zeigt.“

Gewalt gegen Frauen ist ein Übel, das tagtäglich von Frauen erlitten wird. Doch ein Übel, so alltäglich es erscheinen mag, ist niemals normal oder hinnehmbar. Gesetze sind ein wirksames Mittel dagegen. Aber auch die Debatte darüber ist wichtig, um schädliche kulturelle Prägungen aufzubrechen.

(rv 24.11.2017 sh)








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