2017-11-17 11:48:00

Vatikan: Nachdenken über Grenze zwischen Mensch und Maschine


Mit ziemlich heiklen Zukunftsfragen beschäftigt sich im Moment der Päpstliche Kulturrat in Rom. Verschwimmt die Grenze zwischen Menschen und Maschine?, das ist eine dieser Fragen, über die sich die Mitglieder des Rates derzeit austauschen. Eines von ihnen ist Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen; er hat uns an diesem Freitag in der Redaktion besucht.

„Es geht um die großen Herausforderungen und Fragen der Anthropologie, die sich stellen angesichts der Entwicklung der Neuro-Wissenschaften, aber auch angesichts der Fragen des Umgangs mit Genetik, mit den Fragen, die sich aus der Robotisierung menschlicher Fähigkeiten ergeben. Und natürlich mit der dahinterstehenden Leitperspektive: Was sagt die Kirche dazu? Wann soll sie etwas sagen – und wenn, wie?“

„Warten, wie sich die Wissenschaften wirklich entwickeln“

Denn nicht unbedingt immer und zu jedem Thema sollte sich die Kirche gleich zu Wort melden, davon ist Bischof Overbeck überzeugt. Ein Beispiel: Es gibt ja Versuche, das menschliche Gehirn in einem Computer herunterzuladen – ein Download, der dann auch nach dem Tod des entsprechenden Menschen jederzeit verfügbar wäre. Dazu fragt Overbeck:

„Ist es überhaupt klug, zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich etwas dazu zu sagen, außer dass wir davon ausgehen, dass der Mensch eine Person ist und der Normalfall darin besteht, dass jeder sein eigenes Gehirn hat – von Gott geschenkt – und dass dieses stirbt, wenn der Mensch stirbt? Dass es die anderen Möglichkeiten gibt, wissen wir mittlerweile, aber doch noch in einem solchen Feld, dass wir auch warten müssen, wie sich die Wissenschaften wirklich entwickeln.“

„Kritisch und förderlich begleiten, weil wir eine verbietende Kraft nicht mehr besitzen“

Bisher gebe es oft nur „Anfangs-Szenarien“, so Overbeck. „Da ist es, glaube ich, klug, das einfach zu begleiten mit den kritischen Fragen, die wir stellen. Was bedeutet das für die Person-Identität des Menschen, wenn so etwas möglich ist? Was bedeutet das aber auch für das Wesen dessen, was Denken heißt und Reflektieren und damit das sich-selbst-Bestimmen des Menschen als Ich, der Person ist und Person bleibt?“

Eine weitere Frage, die sich stelle, sei: Wie funktionier unter solchen Umständen überhaupt Gemeinschaft unter Menschen? „Wir können uns nur darauf einlassen, das kritisch zu begleiten, aber im besten Sinn des Wortes förderlich, weil wir eine verbietende Kraft nicht mehr besitzen und uns auch nicht einbilden sollten, sie weiterhin besitzen zu können.“ Die Kirche müsse „in einen ethisch qualifizierten Dialog“ eintreten.

„Man ist, glaube ich, klug beraten zu sagen: Eine mahnende Funktion heißt eine erinnernde Funktion an das Wesen des Menschen und das Wesen dessen, was Gesellschaft ausmacht, wahrzunehmen. Erstens aufgrund von 2.000 Jahren Tradition, die hinter uns stehen, die aber gleichzeitig nicht dazu einladen, zurückzuschauen, sondern mit dem, was wir aus der Tradition gleichsam wieder-erfinden können, nach vorne zu gehen.“ Es gehe also „um ein sehr waches Gegenwarts-Bewusstsein“.

„Und gleichzeitig in einen sehr herausforderungsvollen, das heißt, auch für uns hochspeziellen Dialog mit den jeweiligen Wissenschaften zu treten. Dafür brauchen wir ganz viele Spezialisten, die gleichzeitig ein katholisches Bewusstsein haben und mit Gläubigkeit auch die richtigen Fragen zu formulieren wissen, für die ein Theologe unter heutigen fachspezifischen Bedingungen oft schlichtweg überfordert ist.“

Frage an Bischof Overbeck: Wenn ein Neurowissenschaftler von Ihnen wissen will, worin denn eigentlich das Wesen des Menschen besteht – was sagen Sie ihm dann? „Dann würde ich sagen: Zum Wesen des Menschen gehört die Transzendenz, das heißt über das Eigene hinaus, auch über den Tod hinaus nicht nur denken, sondern sich auch zu bestimmen. Es gehört auch dazu, dass es Fähigkeiten im Menschen gibt, von denen ich bis heute nicht sehe, dass irgendeine der Wissenschaften sie erklären könnte.“

Damit meint der Bischof die „Entscheidungsfindung eines Menschen“, aber auch die Frage, was Liebe ist, und vieles mehr, „was in den Bereich der Emotionalität gehört und in den Bereich der Logik“. „Das lässt sich nicht einfach nur auflösen in neuronale Bestimmungen – auch wenn wir auf dieser Ebene natürlich noch einiges lernen können.“

(rv 17.11.2017 sk)








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