2017-10-01 12:05:00

Papst in Bologna: „Will mit den Augen der Flüchtlinge sehen“


Ortswechsel, der Papst in Bologna: Franziskus‘ erste Schritte in der norditalienischen Universitätsstadt führten ihn – auf eigenen Wunsch – in ein Verteilzentrum für Flüchtlinge überwiegend aus afrikanischen Ländern, wo er vor ungefähr 1.000 Migranten sprach.

 „Möchte mit euren Augen sehen“

Mehr als Worte ließ der Papst an diesem Ort zunächst Gesten sprechen. Etwa eine Stunde lang nahm er sich Zeit, um auf dem Gelände an der Via Enrico Mattei zwischen weißen Baracken Hände zu schütteln und mit den Flüchtlingen zu plaudern. Geduldig ließ sich der Papst von unzähligen Mobiltelefonen abfotografieren, die „Selfies mit dem Papst“ gen Süden sandten, während ihn eine Mitarbeiterin des Flüchtlingszentrums mit Kopftuch durch die Menschenmenge geleitete. „We love you“, „you’re a good man“, „thank you“, war aus der Menge zu hören.

„Ich wollte zuerst zu euch kommen, zu diesem Landeplatz für Menschen, die von so weit her und unter Opfern kommen, die ihr oftmals gar nicht erzählen könnt. In euch sehe ich Jesus Christus, der sich mit dem Fremden aller Zeiten und Umstände, ob aufgenommen oder verstoßen, identifiziert “, wandte sich Franziskus an die Migranten, darunter Christen wie Muslime. „Ich möchte eure Augen in meine Augen tragen, euer Herz in mein Herz.“

Kultur der Begegnung gegen Vorurteile

Franziskus ging in seiner Ansprache auf die Ablehnung ein, die den Schutzsuchenden in vielen Teilen Europas entgegenschlägt. „Viele kennen euch nicht und haben Angst. Das lässt sie sich im Recht fühlen zu urteilen, mit Härte und Kälte, und dabei noch zu glauben, sie würden das richtig sehen.“ Und er hielt dagegen: „Sie irren. Man sieht nur gut mit der Nähe, die die Barmherzigkeit gibt“, hielt er dagegen. „Ohne sie bleibt der Andere ein Fremder, sogar ein Feind und kann nicht zu meinem Nächsten werden. Aus der Ferne können wir alles Mögliche sagen und denken, wie das leicht passiert, wenn schreckliche Sätze und Beleidigungen im Internet geschrieben werden. Wenn wir den Anderen ohne Barmherzigkeit ansehen, verstehen wir nicht sein Leid und seine Probleme“, so Franziskus. Und in freier Rede fügte er an: „Dann schaut uns auch Gott ohne viel Barmherzigkeit an…“.

Gedenken an die Toten

„Ihr seid Kämpfer der Hoffnung“, machte der Papst den Flüchtlingen Mut. „Viele sind nicht angekommen, weil sie die Wüste oder das Meer verschlang. Die Menschheit erinnert sich nicht, doch Gott kennt ihre Namen und empfängt sie neben sich.“ Franziskus rief an dieser Stelle zum stillen Gedenken an die Opfer zu einer Gedenkminute auf; ein starker Kontrast zur Freude, die dem Papst bei seiner Ankunft im Flüchtlingszentrum entgegenschlug. „Euch Kämpfern der Hoffnung wünsche ich, dass eure Hoffnung keine Enttäuschung oder noch schlimmer: Verzweiflung wird“, fuhr er dann fort, „ich möchte in meinem Herzen eure Angst, die Schwierigkeiten, die Gefahren, die Unsicherheit tragen… auch die vielen Hilfsschreiben an mich, in denen ihr um offizielle Aufnahmegenehmigungen bittet, die Menschen, die ihr liebt und wegen der ihr hier eine bessere Zukunft sucht.“

Integration von beiden Seiten

Von Bologna aus erneuerte der Papst seine Forderung nach einer menschenwürdigen Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Dabei sprach er sich für mehr europäische Solidarität und schnelle Asylverfahren aus: „Ich halte es wirklich für nötig, das mehr Länder private oder gemeinschaftliche Hilfsprogramme für die Aufnahme verwirklichen und humanitäre Korridore für die Flüchtlinge in den schwersten Notsituationen einrichten, um unerträgliche Wartezeiten und verlorene Zeit zu verhindern.“ Besonders die minderjährigen Flüchtlinge bräuchten einen besonderen Schutz, so der Papst. Die Migranten rief er dazu auf, sich für die lokale Kultur zu öffnen und die Gesetze zu befolgen. 

(rv 01.10.2017 pr)








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