2017-09-29 14:00:00

Papstbesuch in Chile: „Die Migranten machen's vor“


Syrer in Chile? Jawohl, seit ein paar Jahren finden auch in dem lateinamerikanischen Staat Flüchtlinge aus dem Nahen Osten Zuflucht. Das berichtet der gebürtige Chilene und Franziskanerpater Jorge Horta Espinoza im Gespräch mit Radio Vatikan in Rom. In seiner Heimatstadt San Bernardo sei vor kurzem eine erste Moschee eröffnet worden, so der Ordensmann. Wenn Franziskus Chile im kommenden Januar besucht, werde der Papst auf eine kulturell vielfältige Gesellschaft treffen.

„Es sind die Migranten, die unsere Probleme lösen.“ So etwas würde man in diesen Zeiten auch aus dem Munde eines Europäers gern einmal hören. Pater Horta, gebürtiger Chilene und derzeit Dekan der Fakultät für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Antonianum in Rom, zeichnet ein positives Bild von der jüngeren Einwanderungswelle in sein Heimatland. Die meisten Einwanderer kämen heute aus den Nachbarländern Argentinien, Bolivien und Peru, doch auch von weiter her wanderten Menschen ein.

„In den letzten 20 Jahren kamen viele Südamerikaner aus verschiedenen Ländern her, auch Haitianer, sogar Syrer. All diese Gruppen sind Teil der chilenischen Gesellschaft geworden. Nach und nach integrieren sie sich, auch in professioneller Hinsicht, sie fügen sich in die sozialen Strukturen ein, sind fleißig und regen die Chilenen in dieser Hinsicht an, dass auch sie gesellschaftlich produktiver sind.“

Chiles jüngere Geschichte kann im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten politische Stabilität vorweisen. Auch der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahrzehnte habe viele Migranten in das Land gezogen, so P. Horta. Das mache sich in seinem Heimatland, dessen Gesamtbevölkerung mit knapp 18 Millionen gering ist, schon ziemlich bemerkbar.

„Ich weiß nicht, ob wir hier ein Beispiel sein können – aber das chilenische Volk war nie eine Gesellschaft, die Menschen ausschloss. So habe ich meine Gesellschaft nie kennengelernt, die Chilenen sind sehr aufnahmebereit. Was meiner Ansicht nach allerdings fehlt ist eine echte Einwanderungspolitik, die zur Integration und Ausbildung der ankommenden Menschen beitragen kann. Man muss Türen öffnen, zusammenarbeiten und gemeinsame Räume der Integration schaffen.“

30 Jahre nach dem Besuch Johannes Paul II.

Papst Franziskus reist vom 15. bis 18. Januar 2018 nach Chile, ziemlich genau 30 Jahre nach dem letzten Papstbesuch dort. Johannes Paul II. kam 1988 her, am delikaten Übergang des Landes von der Pinochet-Diktatur zur Demokratie, einer Zeitenwende. Papst Franziskus werde dagegen eine völlig andere Gesellschaftslage vorfinden, so Pater Horta.

„Was seine Reise ohne Zweifel bestimmen wird, sind die Werte-Themen: Da geht es etwa um das Abtreibungsgesetz, das Abtreibung fortan in drei Fällen (bei einer unheilbaren tödlichen Erkrankung des Fötus, nach einer Vergewaltigung und bei Lebensgefahr für die Mutter, Anm.) gestattet, den Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe sowie erzieherische Fragen hinsichtlich der Gender-Ideologie.“

Die chilenische Kirche hatte das von Michelle Bachelet unterzeichnete Abtreibungsgesetz kritisiert, ebenso erregte eine Gesetzesinitiative der scheidenden chilenischen Präsidentin für die Anerkennung der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ den Unmut der Bischofskonferenz. Im November diesen Jahres stehen in Chile Präsidentschaftswahlen an. Zum katholischen Glauben bekennt sich mit 13 Millionen Chilenen eine große Mehrheit zum katholischen Glauben.

Mapuche-Konflikt

Auch zwei weitere Themen werden Franziskus laut Pater Horta in Chile beschäftigen: Der Konflikt mit radikalen Gruppen des Mapuche-Volkes, der zuletzt „eine gewisse Dringlichkeit“ bekommen habe, sowie die Spannungen im chilenischen Bistum Osorno, dessen von Franziskus eingesetzter Bischof sich mit Vertuschungsvorwürfen von Missbrauch konfrontiert sieht, dem aber bis heute offiziell nichts nachgewiesen werden konnte.

Radikale Mapuche hatten im September in der Unruheprovinz La Araucania mehrere Brandanschläge auf chilenische Kirchen verübt. In der Vergangenheit waren solche Angriffe oft damit begründet worden, dass Kirchenvertreter mitverantwortlich für Repressionen gegen das Ureinwohner-Volk seien. Zugleich gilt die katholische Kirche in Chile jedoch auch als Verteidigerin der Mapuche-Rechte im Landrechtskonflikt. Die Entrechtung der Mapuche hatte nach der chilenischen Unabhängigkeit in den 1860er Jahren begonnen. Erst vor einigen Jahren hatte bei den Mapuche eine Rückbesinnung auf die eigene Kultur und Identität eingesetzt und sich eine kleine Minderheit radikalisiert.

Besuch im Frauengefängnis

Neben drei Freiluftgottesdiensten will Papst Franziskus bei seinem Besuch in Chile mehrere Wallfahrtsorte und ein Frauengefängnis besuchen. Der Gefängnisbesuch ist laut Pater Horta symptomatisch für Franziskus‘ pastorale Handschrift: die Menschen erwarteten in Chile einen volksnahen, lebensnahen Papst zum Anfassen, dessen Worte „Herz und Geist bewegen“.

„Das ist ein Sprechen, das die Menschen berührt und ihr Leben betrifft. Die Begegnung mit den weiblichen Häftlingen im Gefängnis finde ich wirklich sehr interessant. Das ist wirklich besonders, denn bereits am vergangenen Tag des Geweihten Lebens im August, sind Klausurschwestern in dieses Gefängnis gegangen, und das war eine sehr intensive Begegnung. Chile wartet darauf, diesem Papst zuzuhören!“

Franziskus‘ Reise nach Chile und anschließend nach Peru ist die sechste Lateinamerika-Reise des argentinischen Papstes. Auf dem Programm steht in Chile ein Besuch der Städte Santiago de Chile, Temuco und Iquique und in Peru der Städte Lima, Puerto Maldonado und Trujillo.

(rv 26.07.2017 pr)








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